Teig der Bäuerin
von Salwa Bakr
Er riß plötzlich die Tür auf, und helles Sonnenlicht durchflutete das dunkle Zimmer, dessen Lehmwände sonst keine weiteren Öffnungn aufwiesen. Die drei Affen begannen aufgeregt und laut herumzuhüpfen; sie hofften auf ein Ende ihrer Marter, der sie während der vergangenen Nacht ausgesetzt waren.
Der erste Affe, den 'Scharschar' - der Affenhalter - auf den Namen 'Zakzouk' getauft hatte, versuchte eine freundliche Miene zu machen und hob seine Hand zu etwas, das wohl einem Willkommensgruß gegenüber Scharschar ähnelte, welcher soeben durch die Tür getreten war. Doch letzterer zeigte nicht die geringste Reaktion darauf, vielleicht aufgrund seiner Hochnäsigkeit und Arroganz gegenüber Affen, vielleicht aber auch wegen der umgehenden Beschäftigung mit seiner Frau, die kurz nach ihm ebenfalls in das Zimmer getreten war, und die an ihrer Hand eine Ziege führte, für deren Anwesenheit die drei Affen allerdings vorerst noch keinen verständlichen Grund finden konnten. Was nun Zakzouk anbelangte, der seitens des vor ihm stehenden Mannes keine Antwort bekommen hatte, so schluckte er diese Beleidigung hinunter und stützte sich mit seinen Armen auf den Boden des Zimmers ab, so als ob er auf etwas warten würde.
'Marzouk', der zweite Affe, der seinem Kollegen Zakzouk auch sehr ähnlich sah, bis auf die Tatsachen, daß sein Körper weit weniger jugendlich wirkte, und er auch etwas gröbere Gesichtszüge hatte, schien von einer friedfertigen, ruhigen Art zu sein, da er sich mit der Betrachtung dessen begnügte, was Scharschar mit der Ziege anstellte, nachdem dieser seinen Militärmantel ausgezogen hatte, von dem Marzouk natürlich nicht wußte, daß er ihn bei der Dattel-Generalvertretung gekauft hatte; und so blieb Marzouk ruhig, ohne etwas zu sagen oder eine Bewegung zu machen, welche die Aufmerksamkeit auf ihn gelenkt hätte, und wirkte damit so, als ob ihn das alles nicht das geringste anginge.
Der dritte Affe jedoch, den Scharschar aus unverständlichen Gründen 'Maatouk' ( = gewieft, abgeklärt, mit allen Wassern gewaschen, Anm.d.Übers.) genannt hatte, vielleicht aus klanglichem Bezug zu den Namen seiner beiden Kameraden, vielleicht aber auch aus einem versteckten Gefühl heraus, daß dieser Name wohl der am besten passendste für ihn sei, dieser Affe nun, in dessen Augen sich ein gewisser selbstbewußter Ernst spiegelte, blieb an seiner Stelle hocken und fühlte nur eine bedrückende Enge und grenzenlosen Ekel, weil er hier an diesem engen, dunklen Ort sein mußte, in dem er die ganze vergangene Nacht verbracht hatte, nachdem man ihn aus der großen Affengrotte im Tierpark geholt hatte, womit sich ihm der Blick in den weiten Himmel verwehrte und das Bewegen in einem geräumigen Ort verbot. Maatouk hatte in Wahrheit eine etwas komplizierte Persönlichkeit, er nahm auch nie etwas so leicht, wie es seine beiden Genossen taten, sondern er neigte sehr zum Philosophieren. Auf der ganzen Wegstrecke, seit Scharschar sie im Tierpark gekauft hatte, und bis er sie in dieses enge Zimmer gesperrt hatte, sinierte er zum Beispiel über die verdeckten Möglichkeiten, welche der Hintergrund dafür waren, daß der Tierpark sie an jenen, der Scharschar genannt wurde, verkauft hatte. So meinte er, daß Marzouk wohl ein alter Affe sei, den sie deshalb verkauft hätten, weil er dauernd Streit mit den anderen Affenmännchen auf dem Grottenfelsen hatte, während Zakzouk wiederum noch recht jung war, aber vielleicht hätte Scharschar für ihn ja einen Betrag geboten, der sie dazu verführt haben könnte, auf ihn, Zakzouk, zu verzichten. Er selbst jedoch, also Maatouk, sei ohne jeden Zweifel darüber, daß sie ihn aus dem Park entfernt hatten, weil er die Affen der Grotte zu einem Streik gegen das tägliche und ausschließliche Essen von Klee angestiftet hatte, um die Direktion des Tierparks dadurch zu zwingen, diesen Klee wenigstens an einigen Tagen gegen andere Obst- und Gemüsearten auszuwechseln, die er doch so häufig in den Händen der Angestellten des Parks beobachten konnte, wenn diese nach Dienstschluß ihre Arbeitsplätze verließen. Ja, sie versteckten sogar jene Nahrungsmittel, die ihnen von vielen der Tierparkbesucher übergeben wurden, um damit die Affen auf dem Grottenfelsen zu füttern, und welche völlig ausreichen würden, damit die Affen ein angemessenes Leben hätten führen konnten, nicht schlechter als das, an das sie sich im Urwald gewöhnt hatten.
Wollen wir gerecht sein, dann müssen wir sagen, daß Maatouk keineswegs eine Art psychologischer Krüppel war, er war eben nur ein Affe, der mehr Lebenserfahrung besaß, als seine zwei Kollegen - war er doch der einzige unter ihnen, der nicht in der Grotte geboren wurde, sondern im weiten, großen Urwald, der an seinem Rand den Ozean berührte, und der es jedem Affen, selbst den kleinen und jungen ermöglichte, die höchste Kokospalme zu erklettern, von der aus er sich nach dem Himmel strecken, und seinen Blick über die Wunder der bezaubernden Natur wandern lassen konnte. Dort, wo das Wasser Azurblau aufschäumte, noch unberührt von dem Abfall der modernen Stadt, wo die Vögel zwitscherten, viel mehr als nur einem Lied, und wo seine Seele aus dem Grün so tief schöpfen konnte, aus jener zur absoluten Königin über alle anderen Farben gekrönten Farbe, die doch in tausendundeinem Grün erstrahlte, und die das Selbst beruhigte und die Seele bereicherte.
Ja, selbst als Maatouk seinen Platz auf dem Grottenfelsen gefunden hatte, nachdem sie ihn von seiner Mutter weg und dorthin verbracht hatten, so vergaß er doch nie jenes schöne und freie Leben, das ihm genommen worden war; jenes Leben, daß jedem normalen Affe gefiel, der springen und sich raufen und seine Nahrung mit seinen beiden kräftigen Händen beschaffen konnte, und der dort sein Leben so leben konnte, wie er es wollte und es sich aussuchte.
Scharschar jedoch dachte auch nicht einen Augenblick daran, sich mir der Psyche der drei Affen zu beschäftigen, er war ein alter Affenhalter, und das einzige, was ihn an den Affen interessierte, war, sie erfolgreich und in kürzest möglicher Zeit zu dressieren, und zwar entsprechend der Methode, die er von seinem Vater und Großvater geerbt hatte, wie diese sie auch wiederumvon ihren Vätern und Vorvätern ererbt hatten, und mit der sie sich über die Affen erhoben und über deren Schicksal die Bestimmung übernommen hatten. Es kam Scharschar deshalb auch überhaupt nicht in den Sinn, die Situation der Affen zu betrachten oder sich mit ihrer Marter zu beschäftigen, ebensowenig, wie er sich noch nie, nicht ein einziges Mal, über ihre Träume und Hoffnungen im Leben Gedanken gemacht hatte, war er doch ausschließlich damit beschäftigt, ihnen beizubringen, den 'Teig der Bäuerin', den 'Schlaf des Junggesellen', den 'Gang des Prinzen' und den 'Stand des Wachtmeisters' zu beherrschen, damit er sie zu einem guten Preis an andere Affenhalter weiterverkaufen konnte, oder damit er selber mit einem von ihnen umherziehen und sich seinen Lebensunterhalt auf den Straßen und Märkten verdienen konnte.
Die Frau von Scharschar ging hinaus und kam dann schnell wieder in den Raum zurück, in ihrer Hand ein langer, grober Stock, und da Zakzouk, wie wir erwähnten, noch immer unerfahren und ziemlich stolz war auf sich selbst, bewegte er sich ein wenig in dem Versuch, auf den Stock zu springen und an ihm hinaufzuklettern, was jedoch durch die Kette, mit der er angebunden war, verhindert wurde. Er hatte jedoch keine Zeit, deshalb Enttäuschung zu verspüren, weil Scharschar urplötzlich losbrüllte, wild seine Zähne fletschte, und dabei mit dem Stock schmerzhaft auf die Ziege einschlug und sie anschrie :
Los, bei Allah, ...mach den Schlaf des Junggesellen, schnell !!
Doch statt daß nun die Ziege den Schlaf des Junggesellen vorführte, meckerte sie protestierend und schrie in einem scharfen Ton los, der unweigerlich aus einer Ziege herausbricht, die ohne jeglichen akzeptablen Grund derart malträtiert wird. Sie versuchte sich von der Fessel um ihre Hufe zu befreien, doch weil ihr dies nicht gelang, steigerte sich nur noch ihr Geschrei und ihr Protest.
Die drei Affen, die in einer Ecke des Raumes hockten, wechselten fragende Blicke; Maatouk versuchte zu verstehen, was vor ihnen ablief, denn alle Informationen, die sich in den versteckten Ecken seiner Erinnerung aus der Zeit im Urwald über die Gattung der Ziegen niedergeschlagen hatten, sagten ihm nur, daß es sich sanftmütige und sich schnell bewegende Wesen handelte, die sich von Gräsern und Fasern ernährten, und die ihre Körper ohne großen Kampf als leicht erreichbaren Happen den Löwen, den Tigern und den anderen Fleischfressern des Urwalds überließen. Da er jedoch keine annehmbare Erklärung für die lächerliche Komödie fand, die vor ihm ablief, blieb er still und konzentrierte seinen Verstand in einem weiteren Versuch, das alles zu verstehen.
Das seltsame war, daß Scharschar, statt mit dem Schlagen der Ziege aufzuhören, die langsam so aussah, als würde sie gleich verenden, die nur noch röchelte und deren lange rote Zunge weit zwischen ihren Kiefern hinaushing, ja, der schon Schaum aus ihrem Mund drang und deren Blick immer mehr schielte, daß er nur noch stärker und schneller auf sie einschlug und dabei lauthals brüllte :
Der Teig der Bäuerin, oder ich trinke dein Blut, oh du Tochter einer Ziegenbocks !
Die Ziege verstand zwar die Beleidigung nicht, war sie doch tatsächlich die Tochter eines Ziegenbocks, was sie aber verstand, war, daß dieses böswillige Wesen, das ohne jeden Grund auf sie einschlug, ihr Leben wirklich bald beenden würde, und so begann sie -allerdings völlig erfolglos- herzerweichend zu blöken, auf daß er sich ihrer doch erbarmen und mit den Schlägen aufhören möge. Kurz darauf jedoch, und ohne jede vorherige Ankündigung, hörte Scharschar mit dem Schlagen auf , warf sich seinen Militärmantel über das Hemd, zog seine alte Krawatte nach, und zerrte die Ziege schnell aus dem Raum mit den drei Affen, dessen Tür er wieder verschloß.
Am nächsten Tag dieser bedauernswerten Umstände waren die drei Affen durch ihre Überlegungen, was denn das gewalttätige Gebaren Scharschars gegenüber dieser traurigen Ziege wohl für einen Sinn haben könnte, schon etwas ermattet. Zakzouk, der überhaupt nichts über Ziegen wußte, meinte, daß die Ziege sicherlich eine Banane aus der Hand von Scharschar gestohlen hätte, nachdem dieser sie geschält hatte und gerade essen wollte; Marzouk jedoch, der inzwischen schon sehr hungrig war, weil er nichts mehr bekommen hatte, seitdem er in den tristen Raum von Scharschar gesteckt worden war, stimmte dem Gedanken Zakzouks zu, allerdings mit einer kleinen Änderung, als daß er nämlich die Banane mit einer Handvoll Erdnüssen austauschte. Maatouk aber fühlte sich sehr unwohl über die seichten Gedanken seiner Genossen, und über das Absinken des Diskussionsniveaus, und so beeilte er sich damit, die Theorie der Banane und der Erdnüsse von Grund auf zu torpedieren, da es ja nicht zur Gewohnheit einer Ziege gehörte, solche Dinge zu fressen.
Auf jeden Fall ließ ihnen Scharschar nicht ausreichend Zeit dafür, um tiefer in die Problematik der Ziege einzudringen, denn plötzlich drang er wieder in den Raum ein, in seinem Mantel und mit seiner Krawatte, die ihm lang über sein Hemd hinunter hing, und von der die Affen, seitdem sie sie das erste Mal erblickt hatten, dachten, daß Scharschar sie sicherlich dazu benützte, um damit andere, stärkere und noch bösere Menschen als er es selbst war, festzubinden. Und während er nun damit begann, wie schon am Tag zuvor seinen Mantel auszuziehen und ihn an den einzigen Nagel zu hängen, der sich in dem Raum befand, und an dem ein Stück Pappe mit dem aufgeklebten Bild einer lächelnden und Cola-trinkenden blonden Frau befestigt war, kam schon seine Frau mit der Ziege hinzu, und die Szenen des vorangegangenen Tages wiederholten sich unter Hinzufügung einiger weniger Veränderungen. Scharschar begann, nachdem sein Gesicht einen böswilligen Ausdruck angenommen und er seine Ärmel hochgekrempelt hatte, wild auf die Ziege einzuschlagen, doch das neue, das er nun hinzufügte, war, daß er sich nun, während er schrie, 'Schlaf des Junggesellen...' auf seinen Rücken warf, auf dem Boden ausstreckte und sein Bein weit emporreckte, das dem Bein der Ziege auch sehr ähnlich sah, außer, daß es mit schwarzem, grobem Haar bedeckt war und auch wesentlich weniger dicht, als das Fell der Ziege. Dann wickelte er das eine behaarte um das andere nicht weniger behaarte Bein, während er seinen Kopf auf seine Arme stützte, die er hinter sich verschränkt hatte, und seine Rufe an die Ziege wiederholte, daß sie, genau wie er, nun gefälligst den Schlaf des Junggesellen machen solle, oder er würde sie derart quälen, wie es kein Djinn und kein Mensch jemals gekostet hätte.
Beim 'Teig der Bäuerin' stand er wieder auf und imitierte die Bewegungen einer Bäuerin, die den Teig aufnimmt, ihn nach oben zieht, damit er die größtmögliche Menge Luft aufnehmen kann und sich aufbläht. Und obwohl die Ziege schon häufig Bäuerinnen im Dorf gesehen hatte, welche diese doch recht mühevolle Arbeit taten, so hatte es sich die arme doch niemals vorgestellt, daß sie selbst eines Tages so etwas werde machen müssen, und deshalb steigerte Scharschar sein bestialisches Schlagen, während er sie mit den übelsten Schimpfwörtern bedachte, und hörte nicht auf damit, sie zu malträtieren, bis sie wirklich knapp davor war zu verenden, erst dann zog er sie wiederum hinaus, und schlug die Tür krachend hinter sich zu.
Kurz gesagt, die drei Affen wurden schier irre über das bösartige Verhalten Scharschars, das sich in keiner Art und Weise erklären ließ. Zakzouk, der gern herumschnatterte, versuchte andauern, etwas zu sagen, doch Maatouk brachte ihn mit einem Blick zum Schweigen, der in Wirklichkeit nur eines aussagte: 'Halt die Fresse !' ...und so hielt er fast auch den Atem an, zusammen mit seiner Stimme, während Marzouk sich damit begnügte zu sagen:
Es sieht so aus, als würde die Sache recht gefährlich werden, meine Herrschaften...
Am dritten Tag erschien Scharschar wiederum und riß die Tür schnell auf. Man sah ihm an, daß er dabei war, die Geduld zu verlieren, und die Herzen der drei Affen begannen vor Schreck zu zittern, so daß Marzouk, dem es weh tat, daß ihm der verwirrte Zakzouk auf den Schwanz trat, aufgrund des allgemeinen ängstlichen Schweigens seinen Schmerz ebenfalls verschwieg und auch nicht versuchte, jenen von sich zu schieben, während die Ziege dieses Mal schon völlig erledigt aussah, mit stierem Blick, schmerzvoll meckernd, sogar schon bevor sie der Stock ihres Peinigers berührte. Als nun aber die nächste Runde der Quälerei begann, als der Stock auf jeden erreichbaren Punkt des ausgemergelten Körpers niederfuhr und die Situation für jedes sehende Auge und für jedes hörende Ohr sonnenklar war, daß nämlich die Ziege unter keinen Umständen den Teig der Bäuerin machen würde, und auch ebensowenig den Schlaf des Junggesellen, da passierte etwas verblüffendes, das alle völlig überraschte, daß nämlich Scharschar aus einer Tasche seines langen Hemdes ein scharfes Messer zog, sich auf den Hals der Ziege stürzte, und diese schlachtete, während er dabei die entsprechenden rituellen Texte rezitierte.
Die drei Affen schlossen kaum ein Auge in jener Nacht, ihre Nerven waren bis zum Zerreißen gespannt, seitdem Scharschar den Raum verlassen und die Tür versperrt hatte, nachdem er zuvor die getötete Ziege hinausgetragen hatte, während der Geruch des Blutes, das noch nicht ganz getrocknet war, in ihren Nasen klebte und ihre Glieder mit Angst erfüllte, denn nun zeigte sich die Gefahr der Situation, nachdem Maatouk seinen beiden Genossen eine Frage stellte, die wie eine plötzlich explodierende Bombe einschlug :
Was ist, wenn Scharschar morgen wieder erscheint, und von uns das verlangt, was er von der Ziege verlangt hatte ?
Zakzouk versuchte die Frage vollständig abzuweisen, und meinte, es sei völlig ausgeschlossen, daß er dies von ihnen verlangen würde, da sie doch nichts getan hätten, das ihn erbost oder ihm gar geschadet hätte, während es wohl in seiner Beziehung zu der Ziege so etwas gegeben haben muß, dem zu verdanken sei, daß er sie getötet hatte.
Maatouk lächelte geringschätzig, hatte er doch im Urwald vor langer Zeit genug gesehen, um damit auf die Aussage Zakzouks zu antworten : Das Opfer provoziert den Täter nicht, der es auffrißt..., doch er beschloß, statt auf die lächerliche Diskussion von Zakzouk einzugehen, lieber Marzouks Meinung zu unterstützen, damit sie in dieser gefährlichen Lage zu dritt zu einem Ergebnis kommen konnten.
Marzouk räusperte sich, und gab sich große Mühe ruhig zu bleiben, während er sagte :
In Wahrheit glaube ich nicht, daß er von uns etwas derartiges verlangen würde, da wir ja in keinem Fall Ziegen sind, und ich nehme an, daß er uns höchstwahrscheinlich morgen in die Grotte zurückbringen wird, doch selbst wenn er es von uns verlangen würde, wo wäre da das Problem ? Es handelt sich um eine ausgesprochen einfache Sache, seine Bewegungen nachzumachen, das bedarf keiner besonderen Mühe oder Anstrengung. Auf der anderen Seite meine ich jedoch, wir sollten es uns sehr gut überlegen, bevor wir uns mit ihm anlegen oder seinen Befehlen gegenüber widerspenstig sind, er ist eine niederträchtige Person, jemand, der keine Hemmungen hätte, uns genauso zu schlachten, wie er seine Ziege geschlachtet hat...
Doch da unterbrach ihn Maatouk und sagte :
Aber du hast doch eben gerade gesagt, daß wir keine Ziegen sind !
Marzouk kratzte seinen kleinen Kopf, seine Blicke zucken nervös umher, dann beendete er seinen Satz:
Richtig, aber du hast selber das Messer gesehen, außerdem hat er Ketten, mit denen er uns festbindet, wie es jetzt der Fall ist, und Allah alleine mag wissen, was er noch an Dingen und Methoden hat, denen wir keinen Widerstand entgegensetzen können.
Maatouk fragte provokativ :
Und unsere scharfen Krallen ?! Unsere Zähne ?! Unsere geschliffenen Fänge, mein Liebling ? Haben wir diese denn nicht mit uns dabei ?!
Marzouk antwortete nicht, und das Schweigen zog sich in die Länge. Er hielt den Standpunkt von Maatouk für extremistisch und würdelos, als ob dieser aus dem Vergangenen keine Lehre gezogen hätte, ja, er hatte aus der Lektion ihres Rausschmisses aus der Grotte noch immer nichts gelernt, auch nichts aus seiner Einkerkerung in einer Einzelzelle, nachdem er die Affen zu einem Boykott gegenüber dem Essen von Klee angestiftet hatte, und deshalb würde er, also Marzouk, niemals seine Meinung übernehmen oder auf seiner Seite stehen, denn Scharschar, der Böse, könnte ihn töten, und dann würden ihm die Aussagen Maatouks auch nichts mehr nützen, denn : ...Oh meine Seele, nach dir ist keine andere Seele mehr...
Maatouk spuckte auf den Boden, nachdem seine beiden Kollegen ihre Gesichter von ihm abgewendet hatten und nun darüber redeten, was sie wohl tun würden, sobald sie wieder in der Grotte wären. Zakzouk sagte, daß er dann sofort heiraten, und sich einen eigenen besonderen Harem zusammenstellen würde, der ihm den Nachwuchs sichern und sein Gedenken in der Welt erhalten würde, während Marzouk meinte, daß er, sobald sie wieder gesund in der Grotte angekommen wären, Allah lobpreisen und den Boden der Grotte küssen würde, und daß er ab dann in der Nähe der Wand leben würde, ohne Provokationen und ohne Prügeleien mit irgendeinem anderen Affen, worum auch immer, selbst wenn es die Situation erfordern würde, daß er sein Essen vom staubigen Boden zusammenklauben müßte.
Maatouk war der Einzige, der nichts sagte, aber er hatte das starke Bedürfnis, ein weiteres Mal auszuspucken.
Am letzten Tag erschienen Scharschar und seine Frau, doch selbstverständlich ohne die Ziege. Er begann sein Ritual mit dem Ausziehen des Mantels und dem Fletschen seiner Zähne; er hielt in der einen Hand den Stock, und mit der anderen Hand zog er Zakzouk an seiner Kette bis in die Mitte des Raumes und rief mit einer hoffnungsvollen, erfolgsgewissen Stimme :
Los, bei Allah... der Schlaf des Junggesellen !
Zakzouk begann etwas unsicher, vielleicht weil es das erste Mal war, an dem er gezwungen wurde, eine Rolle zu übernehmen, die er kaum beherrschte, und in seiner Unsicherheit machte er den Teig der Bäuerin, statt den Schlaf des Junggesellen, was zum Resultat hatte, daß er zwei kräftige Schläge auf sein Hinterteil bekam, das daraufhin noch röter erblühte, als es sowieso schon war.
Die Frau, die den jungen Affen beobachtet hatte, mischte sich ein und sagte zu ihrem Mann :
Sei etwas geduldiger mit ihm, oh Scharschar, bringe du ihm die erste Haltung bei.
Scharschar fiel auf seinen Rücken und nahm die Stellung 'Schlaf des Junggesellen' ein, worauf Zakzouk es ihm eiligst nachmachte, mit einer derartigen Leichtigkeit und Grazilität, daß die Frau erfreut auflachte, und sich Scharschar über ihre Freude mitfreute und sagte :
Ordentlicher Bursche ... gut, Teig der Bäuerin.
Die Frau beugte sich etwas vor und begann, das Zubereiten des Teiges in einer so verwöhnten und gekünstelten Art darzustellen, daß es Zakzouk nur mit äußerster Schwierigkeit gelang, sich zu beherrschen, und er eine ungeheure innere Anstrengung aufwenden mußte, um sie nicht zu bespringen. Doch stattdessen ahmte er die Bewegungen ihres Kopfes und ihrer Arme nach, und zum ersten Mal in seinem Leben blieb er ausgeglichen und vernünftig, ja er blieb sogar in der Haltung des Teiges, die er gut ausgeführt hatte, bis ihn Scharschar anwies, wieder zu seiner natürlichen Haltung zurückzukehren, worauf die Frau sehr glücklich sagte:
Beim Propheten, der ist lieb und hat wohl lustiges Blut, biete ihn dem Zirkus an, Scharschar, es ist möglich, daß sie ihn dir für einen guten Preis abkaufen.
Die Frau holte aus der Brust ihres Kleides eine Banane hervor, von der sie Zakzouk ein Stückchen zuwarf, welcher es auffing, obwohl er es noch kaum glauben konnte, hatte er doch keine Banane mehr gekostet, seitdem er zu diesem Platz gebracht worden war. Doch dann zeigte sich, daß nun die Reihe an die beiden anderen Affen kam, denn Scharschar führte Zakzouk wieder zurück und machte ihn an seinem vormaligen Platz fest, während er mit seinen Augen die zwei übrigen Affen taxierte, und dann, aus irgendeinem Grund, zuerst Marzouk heranzog.
Marzouk wiederholte die vorangegangenen Bewegungen seines Kollegen, doch ohne Behendigkeit oder großes Geschick, vielleicht aufgrund seines hohen Alters, oder auch dem Mangel an Talent, und so kommentierte die Frau seine Vorstellung recht trocken :
Laß in, oh Scharschar, gehe mit ihm herum, oder verkaufe ihn an irgendeinen von der wandernden Zunft.
Wahrscheinlich hatte Scharschar dasselbe schon beschlossen gehabt, bevor sie es sagte, da er nur mit seinem Kopf wackelte und still blieb.
Nun kam Maatouk an die Reihe. Scharschar zog ihn in die Mitte des Raumes, doch der Affe kam nur langsam und ohne Zeichen des Gehorsams. Scharschar kniff seine Augen zu schmalen Schlitzen zusammen und schrie energisch:
Schlaf des Junggesellen !
Maatouk bewegte nur die Spitze seiner Nase, die sich etwas erweiterte, um mehr Luft in seine Brust hineinfließen zu lassen. Der Affenhalter wiederholte warnend seinen Ruf :
Schlaf des Junggesellen.
Maatouk reagierte wiederum nicht.
Scharschar wurde wütend, er hustete, kratzte sich am Kopf und änderte seinen Ruf :
Gut, du Dreckskerl... Teig der Bäuerin.
Scharschar hielt seinen Blick eindringlich in die Augen des Affen gerichtet, die jedoch völlig ruhig und fest zurückblickten, und sagte :
Hör zu... es ist besser für dich, wenn du mitmachst, und wehe dir, wenn du mir Mühe bereitest, also los, mein Schöner, Teig der Bäuerin, damit du auch eine Banane bekommst.
Doch Maatouk, der keinesfalls schön war, egal welchen Maßstab man angelegt hätte, hockte sich hin, wobei sich seine Scham zeigte, und begann damit, mit den Fingern an seinem Bein herum zu spielen.
Wolken der Wut sammelten sich im Gesicht von Scharschar, wie als Warnung vor einem herannahenden Orkan, während sich seine Brauen in Verwunderung und Unglauben hoben, und sich seine dünne Unterlippe vorschob, von baldiger Gewalt kündend. Dann hob er seinen Stock weit hoch, und versuchte einen Schlag auf dem Hinterteil von Maatouk zu plazieren.
In der Brust von Maatouk hatte sich jedoch eine noch weitaus größere Wut gesammelt, nicht nur in diesen Augenblicken, sondern seit der Ermordung der Ziege und dem Verspritzen ihres Blutes auf der Erde, und deshalb, in aller Ruhe, hob er seine Hände und vergrub seine Zähne und seine Krallen im Körper von Scharschar, den die Überraschung so überwältigte, daß er nicht mehr als nur Widerstand zu leisten vermochte und versuchte, den Affen wieder von sich zu reißen, während ihn Maatouk mit all seiner bislang unterdrückten Wut im Biß hatte, mit der Kraft des vergrabenen Traumes einer Rückkehr in seine ausgedehnte, weite Welt, wo der blaue Ozean und der grüne sich endlos erstreckende Urwald und die zauberhafte Welt der Vögel war.
Es wird gesagt, daß am darauffolgenden Tag, nach diesem seltsamen Zwischenfall, Scharschar im Krankenhaus, Zakzouk beim Zirkus und Marzouk mit einem anderen Affenhalter durch die Straßen unterwegs war, um sein Brot zu erbetteln, während Maatouk wieder zurück in die Affengrotte kam, weil er sich als nicht dressierbar erwiesen hatte. Es wird auch gesagt, daß dieser später seine Zeit damit verbrachte, den kleinen Äffchen vor der Schönheit und Großartigkeit des Urwaldes zu erzählen, den sie selbst ja nie gesehen hatten, waren sie doch in einer Welt voller Felsen geboren...
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Salwa Bakr:
Geboren 1949 in Kairo, studierte Verwaltungswissenschaften und Literaturkritik. Erste Veröffentlichung 1986 in Kairo. Sie arbeitete als Journalistin, lebte fünf Jahre im Libanon und auf Zypern, ist inzwischen jedoch ausschließlich Autorin. Veröffentlichte bisher drei Bände mit Kurzgeschichten und zwei Romane. "Der Goldene Wagen steigt nicht in den Himmel auf" wurde in arabisch 1991 veröffentlicht und für den Film 'Rote Karte' adaptiert. Salwa Bakr gewann 1993 den Literaturpreis der Deutschen Welle für ihre Kurzgeschichten. Sie lebt in Kairo, ist verheiratet und hat zwei Kinder.