Auszug aus dem Buch Die
Lifestyle-Falle - der Klimawandel als Chance
für ein neues Lebensgefühl (Hrsg.
Sepp Fiedler & Andreas Eickelkamp).
Die Ölkrise
1973 war auch für mich der Anstoß,
um erstmals ernsthaft über die Nutzungsmöglichkeiten
von Alternativtechnologien nachzudenken. Ich
arbeitete damals am Brennpunkt Systemtechnik
der TU-Berlin und konnte dadurch viele Ressourcen
nutzen, um meinen Kenntnisstand im Bereich der ‚sanften
Energie’ zu erhöhen. Als ich dann
1977 das elterliche Ingenieurbüro in Damaskus übernahm,
begann ich mir auch Gedanken über eine praktische
Umsetzung dieser Erkenntnisse zu machen. Nach
einigen Jahren voller Ideen, Versuche und Planungen – in
deren Verlauf ein ausgewogenes Verhältnis
zwischen der (westlichen) Theorie und der (nahöstlichen)
Praxis erzielt werden konnte – gründete
unser Büro 1980 eine kleine Manufaktur zur
Herstellung von thermischen Solaranlagen.
Ich
rechnete zwar von Anfang an mit gewissen Akzeptanzschwierigkeiten,
da die Sonnenenergienutzung in Syrien bislang
so gut wie unbekannt war, doch noch viel erstaunlicher
war die Tatsache, dass mir die Verantwortlichen
in Ministerien und sogar Professoren der Universität
mit absoluter Überzeugung erklärten,
dass ich mit diesem Projekt keinerlei Chance
auf Erfolg hätte, da die Solarenergie „in
Syrien nicht funktioniert!“ Auch meine
Hinweise auf die umliegenden Staaten, in denen
diese Technologie bereits in breitem Umfang eingesetzt
wurde, konnten an der Gewissheit der syrischen
Experten nichts ändern.
Und
so absurd es auch klingt – die Leute hatten
völlig recht! Dies wurde mir spätestens
dann klar, als ich die ersten thermischen
Anlagen besichtigte, die vereinzelt auf einigen
wenigen Flachdächern zu sehen waren. Nicht
eine davon funktionierte – was allerdings
nicht an der Sonnenenergie an sich lag (die rund
320 Sonnentage pro Jahr sprechen da wohl für
sich!), sondern schlicht und einfach an der miserablen
Umsetzung und unprofessionellen Montage. Irgendwie
hatte die Idee der solarthermischen Schwerkraftanlagen
das Land zwar erreicht – die richtigen
Rohrneigungswinkel allerdings schienen den Abflug
verpasst zu haben und waren bislang auch noch
gar nicht vermisst worden. Zur Erklärung:
Bei Schwerkraftanlagen kommt der geschlossene
Kreislauf auch ohne eine Pumpe völlig selbständig
in Gang, wenn das sonnenerwärmte Wasser
nach oben in den Speichertank strömt, während
kälteres Wasser von tieferen Stellen des
Kreislaufs nachfließen kann. Große
Rohrdurchmesser und angemessene Neigungswinkel
sind dabei natürlich von ausschlaggebender
Bedeutung. Und warum die Installation elektrischer
Pumpen kaum sinnvoll ist, lässt sich auch
schnell erklären: Die Elektrifizierung ländlicher
Gebiete war zwar eine der ‚Haupterrungenschaften
der sozialistischen Revolution’ in Syrien,
das langfristige Resultat – an dem natürlich
auch noch andere Einflüsse beteiligt waren,
deren Darstellung den Rahmen dieses Berichtes
allerdings sprengen würde – waren
tägliche mehrstündige Stromsperren...
Die
Zeit war also reif für die Solarenergie.
Anfang der 80er Jahre hatte der damalige syrische
Industrieminister die Anweisung gegeben, eine
industrielle Produktion von Solaranlagen aufzunehmen.
Nach anfänglichen Schwierigkeiten gelang
es der staatlichen Fabrik sogar, recht solide
Anlagen herzustellen. Die hochwertigen Metallabsorber
mussten allerdings (aus Deutschland) importiert
werden. Tragisch wurde die Sache aber dadurch,
dass es der Fabrik untersagt war, die produzierten
Anlagen auch selbst zu installieren und zu warten.
Die Gründe hierfür lagen in der Gesetzgebung,
die einerseits die (unfreundliche) Verstaatlichung
von Großbetrieben – andererseits
aber auch den Schutz von Kleinbetrieben und Handwerkern
vorsah. Als Resultat standen zuerst Dutzende,
dann Hunderte von Anlagen nutzlos auf den Dächern
herum. Die Klempnerbetriebe, welche die Installation übernehmen
mussten, betrachteten die ‚Sonnenenergie’ als
etwas, vor dem man sich am besten schützen
sollte, indem man die Anlagen im Schatten aufstellt.
Fast keine Leitung, die nicht entweder einen
falschen Durchmesser oder die falsche Neigung
aufwies, in den Krümmern sammelte sich an
den möglichsten und unmöglichsten Stellen
Luft und unterbrach den Schwerkraft-Kreislauf
des Wassers, die Rohrisolation wurde vom Wind
zerfleddert, usw. Auf die naheliegende Idee,
den betreffenden Klempnerbetrieben innerhalb
einiger Stunden die grundlegenden Betriebs- und
Installationsbedingungen beizubringen, kam aber
anscheinend niemand.
Was
uns also tatsächlich zu schaffen machte,
war die fehlende Kontrolle seitens einer Institution
wie des TÜV. Es würde Bände füllen,
alle jene ‚Frankenstein-Anlagen’ zu
beschreiben, welche uns im Laufe der Jahre auf
den Dächern von Damaskus begegnet sind...
Die Al-Faiha-Solarkollektoren
Die
Herausforderung für unsere Manufaktur war
dadurch plötzlich viel einfacher. Unsere
erste Anlage bauten wir im Sommer 1980, sie besitzt
einen Kupferabsorber, ist 8 qm groß und
arbeitet bis heute problemlos auf dem Dach unseres
Wohnhauses in Damaskus. Die korrekte Montage
erbrachte sofort die gewünschten Resultate – und
bewies, dass die Solarenergie sehr wohl auch
in Syrien funktioniert. Meine individuelle ‚Überzeugungsmethode’ gegenüber
den Zweiflern und potentiellen Kunden war ebenso
einfach: Ich wartete, bis das Wasser schön
heiß aus dem Hahn floss und bat dann die
Betreffenden, doch bitte einmal nachzusehen,
ob es denn schon ‚warm’ sei. Die
erschreckten Schmerzensschreie waren der überzeugendste
Beweis, der auch nicht mehr wegdiskutiert werden
konnte – strikt nach dem Rat der Gerbrüder
Strugatzki in ihren SF ‚Gesang der Neuronen: „Schmerz
ist lehrreich!“
Syrien
zählt zwar zu den Schwellenländern,
doch viele der Probleme mit denen man sich in
Ländern der 3. Welt konfrontiert sieht,
bestehen auch hier. Ein gutes Beispiel dafür
ist die Materialbeschaffung: Als kleiner privatwirtschaftlicher
Industriebetrieb durften wir bestimmte Mengen
von Materialien zu staatlich festgesetzten Preisen
beziehen, da nur der Staat diese Materialien
herstellt (Glas, Aluminiumprofile) oder importiert
(Fittings, Rohre, Stahlwinkel). Erschienen wir
nun zu den monatlichen Ausgabeterminen in den
staatlichen Materiallagern, dann hörten
wir von den lächelnden Beamten regelmäßig
nur „mafi“, d. h. „es gibt
nichts“. Entweder mussten wir gewisse Beträge
unter dem Tisch hinüberreichen (worauf das
Material wunderbarerweise dann plötzlich
doch vorrätig war), oder wir mussten uns
auf dem sogenannten freien Markt eindecken. Dort
erreichten die Preise zum Teil aber das Zehnfache
der regulären, was sich natürlich äußerst
ungünstig auf den Endpreis unserer Produkte
auswirkte. Hauptsächlich aus diesem Grund
musste ich also die sogenannte ‚upper middle
class’ als Zielgruppe auswählen, da
diese sowohl Innovationen aufgeschlossen als
auch solvent genug ist, sich die entsprechenden ‚Marotten’ leisten
zu können.
Der
Gesamtmarkt ist natürlich noch sehr viel
größer. Die meisten städtischen
Haushalte kochen mit Flüssiggas, heizen
mit Heizöl und erwärmen ihr Wasser
elektrisch. Wir errechneten, dass es im Jahresdurchschnitt
möglich sein müsste, über 80 %
des gesamten Warmwasserverbrauchs solar aufzuheizen.
Anscheinen kamen auch andere Seiten zu diesem
Ergebnis, denn innerhalb weniger Jahre tummelten
sich bereits mehr als 10 Mitbewerber auf dem
Markt der Solarthermischen Anlagen. Unseren ‚Rekord’ einer
Kollektor-Ausgangstemperatur von 96°C konnte
aber niemand brechen.
Insgesamt
zeigte sich bald, dass unter den lokalen Gegebenheiten
das Improvisationstalent das wohl allerwertvollste
Gut bildete. Oftmals waren Kupferrohre gar nicht
zu bekommen, und wir mussten auf Stahlrohre umsteigen.
Hinzu kam, dass beide Materialien eigentlich
nicht optimal waren: Beim Kupfer mussten wir
uns mit der elektrolytischen Korrosion auseinandersetzen,
beim Stahl mit der Verkalkung. Auch das hohe
Eigengewicht der 4 – 8 m2 großen
Anlagen (mit Heißwasserspeichern von 200
oder 300 l Inhalt) machte EPDM-Absorber (Ethylen-Propylen-Diene-Monomer)
sehr interessant... brachte aber völlig
neue Probleme mit sich, da wir dieses Material
ja selbst importieren mussten.
Eine
Ladung EPDM-Absorber lag so z.B. fast vier Jahre
im Zoll, bis wir sie über den Umweg einer
Versteigerung endlich (quasi nochmals) erstehen
konnten. Überhaupt erforderte die legale
Beschaffung von Devisen zum Import eine ungeheure
Portion Geduld. Hatte man endlich Erfolg, dann
waren die Wechselkurse inzwischen so weit abgesackt,
dass sich nun kaum noch jemand die Anlagen leisten
konnte.
Doch
die Arbeit hatte auch viele positive Seiten.
Da die Häuser durchgängig Flachdächer
besitzen, kann man bequem und sicher darauf arbeiten
und die Kollektoren auch optimal ausrichten.
Man wird auch schön braun bei der Arbeit
und kann sich den Strandurlaub sparen. Für
unsere Mitarbeiter war es außerdem sehr
wichtig, dass die solartechnische Arbeit über
den täglichen Broterwerb hinausging und
etwas zur Steigerung der Lebensqualität
und zur Reduzierung der Umweltbelastung beitrug.
Sie fühlten sich berechtigterweise als technologische
Avantgarde, und wir versuchten bei den Produkten
so weit wie machbar an ‚Deutsche Wertarbeit’ heranzukommen.
Nun begann uns auch der Ruf vorauszueilen, dass
die Al-Faiha-Solarkollektoren wirklich das halten,
was alle anderen Produzenten versprechen: heißes
Wasser auch in den kühleren Monaten, eine
sehr geringe Anfälligkeit für Schäden,
ein prompter Service, die einwandfreie Verlegung
und Isolation der Rohre und was eben noch so
alles zählt. Besonders großen Eindruck
macht das Finishing, dem wir uns ganz besonders
widmeten. Bestätigt wurde uns dies einmal
aus völlig unerwarteter Quelle, als wir
bei einem Transport von einer Zollpatrouille
solange festgehalten wurden, bis wir ihnen endlich
beweisen konnten, dass die Anlagen auf dem Kleinlaster
wirklich nicht aus dem Ausland hereingeschmuggelt
waren! Neben der eigenen Herstellung widmeten
wir uns natürlich der Reparatur von Fremdanlagen,
da oftmals schon minimale Modifikationen auch
diese wieder in Gang brachten. Allerdings ließen
wir uns das entsprechende Know-how sehr gut bezahlen!
Mitarbeiter und andere Überzeugungstäter
An
dieser Stelle möchte ich kurz über
das Thema ‚lokale Mitarbeiter’ sprechen.
Meine Eltern, ein irakisch-deutsches Ingenieur-Ehepaar,
hatten sich bereits 1956 in der syrischen Hauptstadt
Damaskus niedergelassen, so dass ich abwechselnd
dort und in meiner Geburtsstadt Berlin aufwuchs.
Ich schicke dies voraus um klarzustellen, dass
ich mich genauso als Damaszener fühle
wie meine dortigen Mitarbeiter, auch wenn ich
vielleicht nicht immer so denke wie
sie. Bei Gründung der Al-Faiha Solar-Manufaktur
bildete die Rekrutierung der richtigen Mitarbeiter
den vielleicht wichtigsten Schritt – und
sein Erfolg bewies sich anhand der Tatsache,
dass das gebildete Team während des zehnjährigen
Bestehens der Firma völlig unverändert
blieb. Da auch keine Expansion geplant war, brauchten
wir nur sporadisch zusätzliche externe Hilfeleistungen,
beispielsweise bei Transporten oder Montagearbeiten
in anderen Regionen des Landes.
Nun
hatte ich die Regeln für die Zusammenarbeit
unseres Teams auf zwei Sätze reduziert: „Jeder
darf Fehler machen – aber nur EIN mal!“ Und: „Niemand
braucht zu arbeiten!“
Ich
bin mir nicht sicher, ob sich auch ein hiesiges
Unternehmen derart genügsam führen
ließe, und ehrlicherweise sollte ich auch
zugeben, dass mich der Erfolg des Konzeptes dann
doch etwas überrascht hat. Die erste Regel
war für die Mitarbeiter relativ leicht nachzuvollziehen – und
sie feierten auch überschwänglich,
wenn sie mich einmal bei einem Fehler
erwischten! Doch niemals hat einer von uns einen
Fehler wiederholt – denn dafür gäbe
es auch keine Entschuldigung: Einzig aus Dummheit,
aus Ignoranz oder aus bewusstem Sabotagetrieb
würde man einen Fehler wiederholen – und
diese Vergehen sind alle drei unverzeihlich.
Um
so schwieriger war dafür die zweite Regel.
Schließlich verband uns doch eine eindeutige
Arbeitgeber/Arbeitnehmer-Beziehung, bei der ich
Gehälter auszuzahlen und dafür das
Anrecht auf eine entsprechende Arbeitsleistung
hatte. „Das ist richtig“, erklärte
ich meinen leicht verunsicherten neuen Mitarbeitern, „aber
ich möchte keine der hier üblichen
Ausreden hören, wenn jemand von euch mal
keine Lust hat zu arbeiten. Weder braucht eure
Großmutter zwei mal im Jahr zu sterben,
noch müsst ihr euch schon wieder um die
Hochzeitsvorbereitungen eurer Nichte kümmern.
Es reicht, wenn ihr mich am Abend anruft uns
mit mitteilt, dass ihr morgen einfach blau machen
werdet. Auf diesem Anruf bestehe ich allerdings – schließlich
muss ich eine Planungsgrundlage haben. Aber keine
Ausreden – und auch niemanden bitte, der
aus Unlust ‚versehentlich’ eine unserer
Maschinen kaputt macht, oder sich selber aus
Unaufmerksamkeit um einige Finger erleichtert!“
Überrascht
Sie das Resultat? Im Laufe der zehnjährigen
Zusammenarbeit hat jeder meiner insgesamt fünf
Mitarbeiter ein einziges mal von der
Regel Nr. 2 Gebrauch gemacht! Klar – sie
wollten einfach wissen ob es tatsächlich
stimmt, dass ich weder das Gehalt kürze
noch in irgendeiner Form verärgert bin.
Bevor ich 1989 Damaskus wieder verließ,
fragte ich unseren Werkstattmeister Omar, warum
er und die anderen denn nicht öfter von
dieser Regel Gebrauch gemacht hätten. Seine
Antwort spricht wohl für die Funktionalität
des Konzepts in jeder ethisch stabilen Gesellschaft: „Weißt
du, wir haben öfter mal darüber geredet.
Aber nachdem es jeder von uns ein mal gemacht
hatte... nun, das war zwar entspannend zu Hause
zu bleiben und zu wissen, dass man trotzdem sein
Geld bekommt... aber es machte einfach keinen
Spaß mehr! Viel wichtiger war es, dass
wir es jederzeit hätten machen können!
Das hat aber niemand in meiner Verwandtschaft
verstanden. Die mussten jeden Tag zur Arbeit
und fluchten darüber – ich aber kam
jeden Tag freiwillig hierher.“
Als
Schrittmacher hat unsere Solar-Manufaktur zwar
eine wichtige Rolle gespielt, doch der fast völlige
Mangel an Öffentlichkeit verhinderte eine
größere Verbreiterung der Technologie
selbst. Die Ignoranz der offiziellen Stellen
mit ihrem absoluten Informationsmonopol trieb
dagegen manch seltene Blüte: Ein junger
Fernsehjournalist des staatlichen Senders stand
samt Aufnahmeteam eines Tages plötzlich
mitten in der Werkstatt und beklagte sich bitterlich
darüber, dass im Fernsehen stets nur internationale
und großartige Berichte über Alternativenergien
gezeigt werden, die jedoch nicht das Geringste
mit der Lebenswirklichkeit der syrischen Bürger
zu tun hätten. Aber nie würden die
lokalen Bemühungen auf diesem Sektor gezeigt.
Er begeisterte sich dann auch schnell für
den Vorschlag, daß meine Mitarbeiter vor
laufender Kamera einen einfachen Solarkollektor
aus ‚Abfallmaterial’ herstellen – um
die Zuschauer vielleicht sogar zu Eigeninitiativen
zu ermutigen. Der arme junge Fernsehjournalist
verlor fast seine Stelle als er den Film zeigen
wollte...
Ortswechsel und Patente
Im
Sommer 1989 beschloss ich, wieder für einige
Jahre nach Deutschland zu kommen. Die gut ausgebildeten
Mitarbeiter waren schnell anderweitig und sicher
untergebracht (Werkstattmeister Omar ist nach über
15 Jahren immer noch als Wartungstechniker beim
Deutschen Archäologischen Institut angestellt).
Die Manufaktur wurde aufgelöst, Werkzeuge
und restliches Material eingebunkert. Als ich
2001 dann wieder für einige Zeit nach Syrien
kam, gab es neben der Manufaktur eines alten
Freundes sowie der staatlichen Solarfabrik keine
anderen Mitbewerber mehr – ihre mangelhafte
Qualität hatte sie vom Markt gefegt. Mein
Freund hatte sich dagegen auf ein einziges Standardsystem
konzentriert, das er in Serie und in guter Qualität
produzierte und daher auch relativ günstig
anbieten konnte. Und die Staatsfabrik konnte ja
nicht in Konkurs gehen...
Übrigens
dauerte es 2001 auch nicht lange, bis alte und
neue Kunden mit Aufträgen erschienen (ohne
dass ich auch nur ein Sterbenswörtchen als ‚Werbung’ gesagt
hätte). Diesmal ging es um die solare Erwärmung
von privaten Swimmingpools, einem Marktsegment,
an das sich bisher noch niemand herangewagt hatte.
Da ich noch genügend Material im Lager hatte,
sagte ich spontan zu. Der erste Kollektor für
einen Pool mit gut 20 m3 Inhalt hatte
eine Länge von 9 m bei einer Breite von
125 cm und erwärmte das ganze Becken ab
März mit Leichtigkeit auf die gewünschten
23°C. Im Sommer wurde sogar eine Wassertemperatur
von 35°C erreicht – sehr zur Freude
des Besitzers, der sich nun auch nächtens
unter dem Sternenhimmel des Orients dümpelnd
in seinem Heißwasser-Pool entspannen konnte „wie
noch nie zuvor in meinem Leben.“
Als
Fazit lässt sich sagen, dass die Einführung
einer neuen (alternativen) Technologie in Länder
der 3. Welt oder in Schwellenländer auch
ohne großartige (oder -mäulige) multilaterale
Kooperationen möglich ist, dass ihre Verbreitung
jedoch keinesfalls ohne die Unterstützung
der offiziellen Stellen erfolgen kann – insbesondere
in jenen Ländern, in denen keine unabhängigen
Nichtregierungsorganisationen existieren. Im
Falle Syrien betrifft das die Solarenergie ebenso
wie die Windenergie. Vor Ort gibt es geniale
Techniker und Ingenieure, die jedoch völlig
auf privates Kapital angewiesen sind, um ihre
Innovationen umzusetzen. Ihre angepassten Lösungen
entsprechen zwar nicht den technischen Standards
der entwickelten Länder – dafür
können sie aber (weitgehend) lokal hergestellt
und gewartet werden. Alleine über die Entwicklung
des syrischen Ingenieurs Maan Kaadan im Bereich
kleiner Windkraftanlagen bis 500 kW, die schadlos
auch die härtesten Sandstürme überstehen,
ließe sich ein eigener Artikel für
dieses Buch schreiben.
Doch
zurück nach Deutschland. Eines der Motive
für den Ortswechsel bildete die Patentierung
eines neuartigen geschlitzten Rotorblattes. Es
handelte sich dabei um eines meiner wichtigsten
Projekte dem ich viele Jahre meines Lebens gewidmet
habe, auch wenn es letztlich nicht den gewünschten
merkantilen Erfolg hatte.
Die
Idee des geschlitzten Blattes kam einem jungen
irakischen Ingenieur während seines Aufenthaltes
in Beirut. Wieder einmal war die Not die Patin
einer Basisinnovation: Das israelische Militär
hatte Beirut umzingelt und eine Stadtblockade
verhängt – und auch die Stromversorgung
unterbrochen. Tahsin al-Majed versuchte daher
aus den Einzelteilen seines Fahrrads einen kleinen
Windkonverter zu bauen, damit er zumindest während
der allabendlichen Meeresbrise bei einem hellen
1,2 Volt-Lämpchen lesen konnte. Die Kerzen
waren schon längst ausgegangen.
„Das
größte Problem dabei bildete der Rotor“,
erzählte mir Tahsin, als ich ihn einige
Jahre später in Damaskus kennenlernte. „Ich
hatte nur dünnes Weißblech. Das konnte
ich zwar mit einer normalen Schere schneiden,
aber es war mir nicht möglich, daraus einen
vernünftigen Flügel herzustellen. Das
Zeug knickte im Wind einfach weg, wie Hasenohren.“ Nach
mehreren vergeblichen Versuchen hätte er
sich dann vor seine missratene Apparatur gestellt
und sich selbst ein paar Backpfeifen gegeben,
um sein eigenes Unvermögen zu bestrafen. „Da
schaute ich an mir herab und sah es plötzlich:
Ich stehe doch auch nicht auf einem Bein!“
Das
Resultat war ein Rotorblatt mit zwei Blattwurzeln,
das aufgrund seiner extrem hohen Stabilität
auch aus einfachsten Materialien herstellbar
ist. Tahsin zeigte mir ein kleines Modell, und
ich schloss sofort einen Kooperationsvertrag
mit ihm. Das Rotorblatt wurde dann 1987 in Syrien
patentiert, und auf Basis dieser syrischen ‚Priorität’ stellte
ich anschließend den Antrag für ein
Europapatent.
Ich
möchte den wertvollen Raum in diesem Buch
nun nicht seitenweise mit Klageliedern füllen
die darüber berichten, wie hier in Deutschland
mit Innovationen aus nicht entwickelten Ländern
umgegangen wird – die Aussage eines entsprechenden
Fachmanns sollte als Beispiel für die erlebte
Grundhaltung wohl ausreichen: „Was, bitteschön,
sollen die Leute dort unten denn noch erfinden,
was unsere Ingenieure nicht schon längst
und auch viel besser erfunden haben?!“
Um
so überraschter und erfreuter war ich, als
sich 1996 – immerhin nur einige Jahre nach
der erfolgreichen Patentierung (Europa Patent
Nr. 0 295 353 B1) – das Forschungszentrum
Jülich bei mir meldete und mir anbot, im
Sinne einer Unternehmensgründung die Umsetzung
dieses Patentes zu fördern. Es folgten mehrere
Jahre, in denen ich wiederholt Businesspläne
einreichen durfte, während gleichzeitig
immer wieder neue Wünsche und Forderungen
an mich herangetragen wurden. Bei der letzten
gemeinsamen Sitzung, an der u.a. auch fünf
Vertreter der Deutschen Bank teilnahmen, wurde
allen Beteiligten klar, daß irgend etwas
ganz und gar nicht mehr in Ordnung war. Es dauerte
wiederum einige Jahre bis ich aus internen Kreisen
erfuhr, daß sich im Forschungsministerium
bezüglich dieser arabischen Innovation ein
extremer Grabenkampf zugetragen hätte. Welches
Motiv die verhindernde Seite dafür hatte,
konnte ich bislang noch nicht herausfinden. Es
ist aber müßig, sich ohne jegliche
sachdienlichen Hinweise darüber Gedanken
zu machen – denn dabei besteht die Gefahr,
schnell in paranoiden Vorstellungswelten zu landen.
Nachdem die geplante Unternehmensgründung
der SYN.TECH Rotorblatt GmbH nicht durchgeführt
werden konnte, habe ich das Patent aus Kostengründen
im Jahr 2000 auslaufen lassen. Nicht unerwähnt
soll bleiben, dass das Design eines Deckenventilators
mit geschlitzten Blättern eine ‚Auszeichnung
für herausragendes Design’ in Solothurn
gewonnen hatte (Designpreis Schweiz) und im Anschluss
daran auch mehrfach in der Presse abgebildet
wurde.
Es
ist natürlich bedauerlich, dass ich hier
nicht mit der Geschichte eines erfolgreichen
Technologietransfers aufwarten kann. Allerdings
ist die Technologie des geschlitzten Rotorblattes
inzwischen ‚open source’ und damit
auch für jedermann verfüg- und nutzbar.
Aus diesem Grund werde ich sie hier kurz beschreiben – alle
weiteren Informationen stelle ich interessierten
Seiten auf Wunsch gerne zur Verfügung.
Ein
ganz besonders Rotorblatt
Ein
extrem dünn herstellbares Rotorblatt ist über
den größten Teil seiner Länge
gespalten. Der Schlitz beschleunigt die hindurchströmende
Luft. Das Ergebnis ist ein höhere Effizienz
gegenüber herkömmlichen Rotorblättern:
Der Schlitz im Rotorblatt erbringt eine Erhöhung
des Wirkungsgrades um mehr als 30% im Vergleich
zum ungeschlitzten Blatt. Eine Computersimulation
am Hermann-Föttinger-Institut der TU-Berlin
kam sogar auf potentielle Effizienzsteigerungen
bis zu 45%. Wölbungseffekt, Saugeffekt,
Vorflügeleffekt und Abrisseffekt erzielen
nach den vorliegenden Messungen bei einer entsprechenden
Optimierung der Rotorblattformen synergetische
Wirkungen, die in der Fachliteratur bislang noch
nicht beschrieben worden sind. Ausgefuchste Experten
wie Prof. Schneekluth halten es für jedoch
denkbar, dass dieses Rotorblatt „einen
höheren Wirkungsgrad erreicht, als alle
bisher bekannten Propeller.“
Das geschlitzte Rotorblatt bietet als Schnittstellentechnologie
im aero- und hydrodynamischen Bereich ein sehr
breites Spektrum technischer Anwendungen wie
bei Windkraftanlagen, als Schiffspropeller, Flugzeugpropeller,
Ventilationssystem, Umwälzsystem, Turbine
und Turbomaschine, Wind- und Schneemaschine usw.
Außerdem zeichnet es sich durch eine sehr
einfache sowie zeit-, energie- und materialsparende
Herstellungsweise aus. Durch unterschiedliche
Anstellwinkel beider Blatthälften entsteht
eine räumliche Struktur ohne die Notwendigkeit
einer massiven Ausführung, wodurch sich
das Gesamtgewicht stark reduziert. Das Blatt ist
dadurch gegenüber Zug- und
Druckkräften auch wesentlich stabiler als
konventionelle Rotorblätter.
Auch wenn es mir nicht gelungen ist, auf der
Basis dieser Innovation das angestrebte Großunternehmen
zu gründen, so war die damit verbundene
Arbeit doch keine ‚vergebliche Liebesmüh’.
Für die Schülerinnen und Schüler
am 2. Oberstufenzentrum Bauwesen in Berlin, welche
die Windkanalversuche durchgeführt haben,
bedeute diese Arbeit sehr viel – denn sie
waren Pioniere auf einem Feld, das sonst nur
den Universitäten oder Forschungsinstituten
vorbehalten ist. Was aber noch wichtiger ist:
Während der Ferien wurden an diesem OSZ über
Jahre hinweg regelmäßig kleinere Gruppen
aus den verschiedensten Ländern Afrikas
ausgebildet – und neben der Solarthermie,
der solaren Kühlung und den Grundlagen der
Photovoltaik wurde ihnen auch gezeigt, wie sie
selbst geschlitzte Rotorblätter für
kleine Windkraftanlagen herstellen können...
Vielleicht wird in vielen Jahren ein Fachmann
für Wissenschaftsgeschichte die überraschende
Feststellung machen, dass sich die Verbreitung
der Windenergie auf regionaler Ebene überall
in Afrika auf ein deutsches Förderprogramm
zurückführen lässt, das wiederum
auf einem ‚vergessenen’ arabischen
Patent beruht. Immerhin wäre dies dann ein
positiver Nebeneffekt der Globalisierung von
Innovationen und würde ein gutes Modell
dafür abgeben, wie man den entsprechenden
Ländern die richtige ‚Hilfe zur Selbsthilfe’ gewähren
kann!
Neuartige
Energiewandler
Ich möchte abschließend noch einige
Sätze zu wirklich neuartigen Energietechnologien
sagen. Damit meine ich das gesamte ‚Gelände’ außerhalb
der Burgmauern des akademischen Schulwissens
mit seinem atemberaubenden Korsett aus thermodynamischen
Regeln von ‚geschlossenen Systemen’.
Dieser Bereich wird zwar mit einiger Berechtigung
den sogenannten ‚Grenzwissenschaften’ zugeordnet –aber
von wo anders als von den Grenzen des bisherigen
Wissens sollten neue Erkenntnisse denn sonst
herkommen? Interstellare Care-Pakete wie in dem
wunderbar kitschigen Film Contact (mit Jodie
Foster) sind zwar höchst willkommen, solange
wir sie aber noch nicht tatsächlich empfangen
haben, müssen wir wohl mit den Berichten
unser eigenen Leute vorlieb nehmen – selbst
wenn sich diese Grenzüberschreiter manchmal
als Genies, inkarnierte Erleuchtete oder gar
Propheten betrachten.
Auf
meiner Homepage www.khammas.de sind
einige Artikel einsehbar, welche
ich im Laufe der vergangenen 30 Jahre zu diesem
Thema veröffentlicht habe. Leider ist es
bislang noch nicht gelungen die Ergebnisse meiner
Recherchen in einer frei zugänglichen Datenbank
zusammenzufassen. Auf Papier liegen mit zur Zeit
rund 400 Erfindungen vor, die alle noch auf freiem
Feld und um die akademischen Burgmauern herum
campieren müssen. Die Protagonisten und
Entdecker versuchten zwar von Zeit zu Zeit den
Burggraben zu überwinden – scheiterten
bislang aber immer an den Pfeilen der Energieerhaltungssätze,
an den Pechtöpfen der Entropie und dem exorzierenden
Schwefel des Perpetuum-Mobile-Vorwurfs. Und auch
daran, dass sie es noch nie geschafft haben gemeinsam
loszustürmen! Im Gegenteil, oftmals verbringen
sie Ihre Zeit sogar damit, andere Erfinder klein
zu machen – denn schließlich haben
ja nur sie selbst die einzig glücklichmachende
und wahre Lösung aller Energiefragen gefunden,
und nur ihnen allein gebührt der nächste
Nobelpreis (sobald die konventionelle Wissenschaft
endlich den Intelligenzstand erreicht hat, um
diese epochale Erfindung überhaupt auch
nur annährend verstehen zu können...).
Gut,
das hört sich wirklich nicht sehr konstruktiv
an. Und auch meine Lieblingslösung, die
berühmt-berüchtigte Messias-Maschine, über
die man sich natürlich auf meiner Seite
ebenfalls umfassend informieren kann, hat schon
manchen Professor ordentlich verschreckt. Ich
selbst bin zwar davon überzeugt, dass es
sich bei diesem Energiewandler tatsächlich
um eine höchst willkommene Lösung für
die Energie- und Umweltprobleme handelt, und
zwar nicht nur in Entwicklungs- und Schwellenländern – aber
beweisen kann ich es (noch) nicht. Aus diesem
Grund recherchierte ich über den eigenen
Tellerrand hinaus weiter und sehe inzwischen
auch die Wahrscheinlichkeitstheorie auf meiner
Seite, dass sich nämlich unter den 400 Erfindungen
tatsächlich der eine oder andere Joker verstecken muß – neben
jeder Menge ‚netter Ideen’, die allerdings
aus dem einen oder anderen technischen oder wirtschaftlichen
Grund tatsächlich nicht umsetzbar sind.
Aus
diesem Grund plädiere ich dafür, dass
sich die Gesellschaft, die Entscheidungsträger
(oder wer auch immer sonst) gegenüber jenen
seltsamen Menschen, die eine neue und bislang
vielleicht noch nicht einmal von ihrem ureigensten
Erfinder ‚verstandene’ Form der
Energiewandlung vorstellen, nicht mit dem üblichen „das
kann doch gar nicht funktionieren“ herausreden,
sondern sich auf die tatsächlich einzig
legitime Frage konzentrieren, die man zu diesem
Zeitpunkt stellen darf: „Und aus welchem Reservoir schöpft
Ihr Energiewandler?“
Sonne
und Wind sind zwar Energiereservoirs, die wir
sogar technisch schon seit einigen Jahrtausenden
nutzen, und trotzdem gab es immer wieder große
Optimierungsschritte wie zum Beispiel die Anwendung
aerodynamischer Annäherungswerte beim Rotorbau
(Betz), oder es gab tatsächliche Basisinnovationen
wie die Umsetzung des photoelektrischen Effekts
in Form moderner Solarzellen (Becquerel).
Doch keine dieser Technologien schöpft aus
einem Reservoir, das ohne regionale oder tageszeitliche
Abhängigkeit zur Verfügung steht. Um
jedoch einen technologisch hochentwickelten Planeten
mit Energie zu versorgen, die nicht aus fossilen
und damit begrenzten Quellen stammt (und die
auch nicht die Umwelt belastet), sind völlig
andere Systeme notwendig.
Um
so erfreulicher ist es, dass sich im November
des vergangenen Jahres 2005 das Bundesministerium
für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
endlich einen Ruck gegeben und unter der Nummer E
5001-15 (pdf-file) einen Bericht veröffentlicht
hat, in welchem der schweizerische Privatforscher
Marco Bischof, der Physiker Thorsten Ludwig und
der Ingenieur und Träger des Europäischen
Solarpreises Andreas Manthey sechs neuartige
aber erfolgversprechende Verfahren darstellen
und erläutern. Es ist das erste Mal in der
Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, daß eine
offizielle staatliche Seite ernsthaftes Interesse
an diesen neuartigen Technologien bekundet – und
dies auch öffentlich zugibt. Der Bericht
ist unter Angabe der o.g. Nummer übrigens
kostenlos von publikationen@bundesregierung.de zu
beziehen.
Möglicherweise
existieren die Vorläufer der zukünftigen
Energiewandler also schon heute. Wir wissen zwar
noch nicht, ob sich unter den o.g. 400 Erfindungen
tatsächlich die Mutter aller Lösungen
verbirgt. Wir werden es aber auch nie erfahren,
solange Nullpunkt- oder Vakuumfeldenergie, Kalte
Fusion oder over-unity-Wirbel pauschal als Hirngespinste
abgetan werden. Sonst fliegt auch in Zukunft
nichts was schwerer ist als Luft...
(c) 2006 Achmed A. W. Khammas