| Der Pessoptimist 
                            Das geniale 1-Personen Stück ‚Der
                                Pessoptimist’ mit der Figur Said
                                Abu Nahs beruht auf dem gleichnamigen
                                Roman des verstorbenen palästinensisch-israelischen
                                Schriftstellers Emile Habibi.  Wobei ich die Theateradaption durch den palästinensischen
                                Schauspieler Mohammed Bakri (Foto)
                                als wesentlich gelungener empfinde – außerdem
                                ist die Übersetzung des originalen Buches
                                von Habibi ins Deutsche eine elende Flickenschusterei
                                (was man mit übersteigertem Selbstbewußtsein
                                als  ‚universitäres Projekt’ betitelt
                                hat.   Ich bekam jedenfalls den Auftrag, das Theaterstück
                                dermaßen eng am Originaltext zu übersetzen,
                                daß  diese Texte ÜBER die Bühne
                                projiziert werden konnten – z.B. bei der
                                Premiere im November 2004 während der ,Tage
                                der Arabischen Welt’                                                im
                              Deutschen Bundestag! Das Stück spielt vor dem Hintergrund des
                                israelisch-palästinensischen Konflikts und
                                schildert das Schicksal des Palästinensers
                                Said Abu-Nahs (,der Glückliche Glücklose’),
                                voller schwarzem Humor und ohne die sonst in
                                der arabischen Literatur so weitverbreitete Jammerei. Der Pessoptimist  [Mohammad Bakri stimmt sich
                                  selbst und das Publikum
                              vorab mit einem palästinensischen Volkslied
                              ein.] Willkommen Herr Doktor! willkommen Herr Doktor!
 wie geht es Ihnen?
 willkommen, willkommen Herr Doktor!
 In meinem Namenund im Namen aller hier Anwesenden
 danke ich der Krankenhausdirektion
 die uns in die glückliche Lage versetzt
                                hat
 die Unabhängigkeit unseres Landes gemeinsam
                                zu feiern
 und die mir erlaubt hat
 wie jedes Jahr als Conferencier
 das Festprogramm zu gestalten
 ...also los
 ...los - klatscht für mich!
 Es war ein maloh Ihr Hörer dieser Worte...
 ...doch eine Erzählung wird erst dadurch
                                rund
 daß wir den Propheten erwähnen
 - Heil und Segen sei mit ihm -
 denn wollen wir nun reden
 oder etwa schlafen?!
 Ich also bin Said ... Abu al-Nahs [Anm.: "der
                                Glückliche ... Vater des Unheils"] der PESSOPTIMIST
 und meine Ausweisnummer lautet 222 2222
 Geboren wurde ich in den Tagen der Engländerund mein Vater und Churchill
 waren richtige Busenfreunde
 aber als mein Vater dann merkte
 daß Churchill nicht mehr lange bleiben
                                will
 da hat er sich schnell
 mit Herrn Jakob Safsarschek angefreundet
 und bevor er dann gestorben ist
 - also mein Vater -
 da hat er mir noch gesagt
 "Wenn dir die Zeit übel mitspielt,
                                oh Said
 dann gibt es nur den Herrn Safsarschek
 der die Dinge wieder ins Lot bringen kann
 für dich!"
 und das hat er auch getan
 der Apfel fällt ja nicht weit vom Stamm
 und so bin ich hier - und Ihr auch
 und Ihr seid hier - und wir auch
 ich bin zwar unsichtbar
 aber doch nicht verschwunden
 weil ich nicht wichtig bin
 ich bin einfach nicht wichtig genug
 ich bin ja kein großer Führer
 und noch nicht mal ein Bürgermeister
 ich bin nur der Kellner
 und überhaupt nicht wichtig
 aber ohne mich gibt es auch kein Essen
 denn ich bin der
 der aufträgt und wieder abträgt
 und während die anderen mampfen
 warte ich und schaue zu...
 ich geh' und ich komm'
 ich trage auf und trage ab
 während du darauf wartest
 schließlich will ich ja auch nur leben...
 Ich bin zwar verschwundenaber nicht tot
 sondern ich habe die Wesen aus dem All getroffen
 die sich ‚slow motion' bewegen
 und jene waren es, die mir sagten
 daß ich zwar bei euch bin
 aber doch nicht anwesend
 daß ich zwar unsichtbar bin
 aber doch nicht verschwunden
 ...ist dies also ein Wunder??
 In Wirklichkeit begann mein ganzes Leben in
                                Israel mit einem Wunderdenn während der Ereignisse von '47
 als mein Vater und ich
 zusammen auf dem Esel
 also auf unserem Volks-Mercedes
 nach Akka hinunter ritten
 ....klack klack - klack klack - klack klack
 und fast die Gleisstrecke erreicht hatten
 ....tack - tack - tack - tack - tack
 da wurde auf uns geschossen
 worauf mein Vater tödlich getroffen vom
                                Esel fiel
 und ich mich hinter dem Esel versteckte
 der auch erschossen wurde
 nur ich kam davon...
 und deshalb habe ich mein ganzes Leben in Israel
 eigentlich einem Esel zu verdanken!
 Nun, nomen est omen... so geht meine Herkunft auf eine zypriotische
                                  Tänzerin zurück
 aus Aleppo
 die von dem Mongolen-Herrscher Tamerlan nicht
                                abgeschlachtet wurde
 auf jener Schädelpyramide
 die unten 20 Kilometer lang war
 und 10 Meter hoch
 da war einfach kein Platz mehr für ihren
                                Kopf
 und deshalb hat er sie mit einem seiner Reiter
 nach Bagdad geschickt
 damit sie dort badet und auf ihn wartet
 - ich weiß aber nicht wozu -
 doch kaum war der Reiter eingeschlafen
 als sie mit einem Beduinen aus dem Stamm der
                                Tuwaisat durchgebrannt ist
 der Abdschar hieß
 und dieser Abdschar
 der war mein aller erster Großvater
 aber dieser Abdschar hat sich von ihr scheiden
                                lassen
 als er sie
 ....bumm - bumm - bumm - bumm - bumm - bumm
 mit einem anderen erwischt hat
 aus dem Dschiftitlek-Tal
 der Raghif ben Amra hieß
 und der wiederum
 hat sich in Bi'r al-Saba' von ihr scheiden lassen
 als auch er sie
 ....bumm - bumm - bumm - bumm - bumm - bumm
 mit einem anderen erwischt hat
 - aber keine Ahnung wie der hieß -
 und so haben sich jedenfalls unsere Großväter
                                von unseren Großmüttern scheiden lassen
 bis Israel entstanden ist
 und damit das erste Unglück über uns
                                hereinbrach
 The Big One
 1948
 und danach kamen dann alle diese kleinen Unglücke
 - The small Nahses -
 deren letztes Oslo war...
 jedenfalls hat sich unsere Familie damals zerstreut
 in all den arabischen Ländern
 die um Israel herumliegen
 und die Israel bislang noch nicht besetzt hat
 aber vielleicht passiert das ja doch noch...
 hoffentlich, oh Gott!
 Ich habe einen Cousin in Jordaniender wurde Minister für Feuerzeuge
 er hat dem König solange die ‚King
                                Size' Zigaretten angezündet
 bis er zum Minister für Feuerzeuge ernannt
                                wurde.
 und wir hatten auch einen Hauptmann in Syrien
 und einen Leutnant im Irak
 und einen Major im Libanon
 doch der starb an einem Herzinfarkt
 als die Intrabank Konkurs machte.
 Und sogar der erste Araber
 den Israel als Vorsitzenden der Kommission
 zur Vermarktung von Löwenzahn, Kresse und
                                Petersilie
 im Oberen Galiläa eingesetzt hat
 stammt aus unserer Familie
 obwohl gesagt wird
 seine Mutter
 sei eine geschiedene Tscherkessin gewesen.
 Meinem Vater gegenüber- Gott habe ihn selig -
 war der Staat Israel jedenfalls sehr verpflichtet
 schon bevor er entstand
 was auch Jakob Safsarschek nicht vergessen hatte
 denn als mein Vater
 gemeinsam mit dem Esel erschossen wurde
 - Gott sei beiden gnädig -
 da habe ich mich am Meer entlang nach Akka aufgemacht.
  Das Meer ist groß, oh Käpt'ndas Meer sind Berge aus Menschen
 und seine Ufer Schüsse und Verrat
 und voll beladene Schiffe
 das Meer ist groß und trügerisch
 und die Neffen und Cousinen auch
 und ertrunkene, ertrunkene, ertrunkene Kinder...
 In Akka fand ich die Menschen nur mit ihrer eigenen Haut beschäftigt
 worauf ich meine Haut in den Libanon rettete
 wo ich sie zu Markte trug
 und davon lebte
 bis ich nichts mehr zu verkaufen hatte
 und da haben sie mich gestichelt und verhöhnt
                                im Libanon
 und mir gesagt
 oh du Flüchtling
 der du dein Land verraten hast!
 oh du Flüchtling
 der du dein Land verraten hast!
 da sagte ich mir, Junge
 eig'ner Herd ist Goldes wert
 du kannst dich nur noch
 wieder nach Israel zurückschleichen.
 Und so, liebe Leutetraf ich mich in Tyros, im Libanon
 mit Doktor Adel
 dieser Doktor Adel gehörte zu den Arabischen
                                Rettungstruppen
 die uns '48 errettet haben
 und die bis heute noch immer dabei sind
 uns zu retten
 dieser Doktor Adel war jung
 langgewachsen und gutaussehend
 und konnte sich später sogar einen Goldzahn
                                leisten
 seine Praxis war im ‚Tal des Kreuzes'
 damals in Palästina
 und alle Mädchen aus Haifa kamen zu ihm
 in seine Praxis
 ‚including my sister'
 und als ich erfuhr
 daß er zu den Rettungstruppen gehörte
 da sagte ich ihm
 - ich will mich nach Israel hineinschleichen
 worauf er mich fragte
 - kannst du ein Geheimnis bewahren?
 - na klar, Mensch, sagte ich
 darauf sagte er
 - dann hüte deine Zunge
 - weil die so vorwitzig ist!
 und ich antwortete
 - dann schneide ich sie ab!
 und so, liebe Leute
 setzten wir uns in das Auto vom Doktor Adel
 ich saß neben ihm
 und meine Schwester auf dem Rücksitz
 ich sah immer wieder
 daß der Doktor Adel
 am Rückspiegel herumspielte
 als ob der schief wäre
 aber ich tat so, als würde ich nichts sehen
 und als wir bei Tarschiha ankamen
 verschwand gerade die Sonne
 und die Dorfbewohner verschwanden auch.
 Haaalt, Stop! Soldaten, halt - halt... wir hielten an
 keine Ahnung was Doktor Adel mit ihnen redete
 - keine Befehle, keine Befehle
 er holte Ihnen eine Karte aus seiner Tasche
 da haben sie salutiert
 und er beschimpfte sie und lachte
 und sie lachten und beschimpften ihn
 während ich mir vor Angst fast in die Hosen
                                machte.
 In jener Nacht schliefen wir in Mi'lija bei
                                LeutenFreunde vom Doktor Adel
 ganz frisch verheiratet -
 woher ich das wußte, daß sie frisch
                                verheiratet waren?
 na, die kuckten sich immer so an
 soo...
 jedenfalls wachte ich frühmorgens auf -
                                bei Gott, oh Leute -
 durch Geflüster aus dem Bett vom Doktor
                                Adel
 ich hörte eine Frauenstimme
 und bekam einen Riesenschreck
 ich hörte sie sagen
 mach dir keine Sorgen, mein Mann wacht jetzt
                                noch nicht auf
 da war ich beruhigt und schlief wieder ein
 meine Schwester hatte ja gar keinen Mann...
 Am nächsten Tag aßen wir in Abu
                                  Sinan                                zu mittagim Haus des Vaters von dem
 der jetzt noch nicht aufwacht
 und nach dem Mittagessen
 mieteten sie mir einen Esel
 auf dem ich dann bis Kufr
                                Jassif geritten bin
 und auf dem Rücken dieses Esels
 im August 1948
 wurde ich genau 24 Jahre alt
 Happy Birthday to you
 Happy Birthday to you
 Happy Birthday
 Happy Birthday
 Happy Birthday, oh Said.
 pussssst…..
 In Kufr Jassif habe ich die Leute gefragtund die zeigten mir das Büro des Militärgouverneurs
 der in jenen Tagen
 in der Yenni Oberschule untergebracht war
 da bin ich hoch, auf dem Maulesel
 oder dem Esel
 drei Stufen bin ich hinaufgeritten
 da rasten die Soldaten heran
 und rissen ihre Waffen hoch
 - runter von deinem Esel!
 - ich bin Said Abu Nahs, der Pessoptimist
 und ich steige erst ab
 an der Schwelle von Herrn Safsarschek
 - Runter vom Esel
 du Esel!
 - Mein Vater ist der Freund von Herrn Safsarschek
 - Verflucht sei dein Vater
 und der vom Safsarschek
 - Steig ab von deinem Esel
 ich bin Abu Ishak, der Militärgouverneur
 Ich stieg also ab und sah mir den Militärgouverneur Abu Ishak
                                genauer an
 und sah, daß er kürzer war als ich,
                                sogar ohne die Eselsbeine
 worüber ich mich richtig freute
 Schadenfreude ist ja die
                                größte Freude
 und dann setzte ich mich auf eine Schulbank
 während er am Telefon herumbrabbelte
 wovon ich aber nur zwei Wörter verstand:
 Safsarschek und Al-Nahs.
 Mal was zwischendurch - ihr wißt doch wohl
 was PESSOPTIMIST heißt?
 Also Pessoptimist besteht aus zwei Worten
 aus Pessimist
 und Optimist
 und dieser Begriff Pessoptimist wurde uns angehängt
 ab dem Tag
 als sich die erste in unserer Familie scheiden
                                ließ
 jene zypriotische Tänzerin
 meine aller erste Großmutter, von der ich
                                euch ja schon erzählt habe.
 Also zum Beispiel ich wenn ich morgens wach werde
 dann preise ich Gott, daß er nichts nächtens
 während ich schlief
 meine Seele eingefordert hat
 und wenn mir tagsüber etwas schlimmes passiert
 dann preise ich Gott dafür
 daß nicht etwas noch viel schlimmeres passiert
                                ist
 und auch meine Mutter - Gott habe sie selig -
 gehörte zum Stammbaum der Pessoptimisten
 und von ihr stammen wir alle ab.
 Mein Bruder - Gott erbarme sich seiner - der arbeitete im Hafen von Haifa
 er arbeitete am Kran
 und eines Tages
 da hat ihn der Kran erfaßt und auf die
                                Wellenbrecher geschmettert
 sie haben ihn dann stückweise eingesammelt
 in einer Decke
 und uns gebracht
 dabei war er gerade mal einen Monat frisch verheiratet
 na ja, wir haben ihn also begraben
 und die Leute kamen zum kondolieren
 denn die Araber lieben dich ja ganz besonders
 wenn du erst einmal tot bist
 und was machte meine Mutter?
 die schlug ihre Hände übereinander
                                und rief:
 - gepriesen sei Gott!
 oh Dank Dir, Gott
 daß es so gekommen ist
 und nicht noch schlimmer
 worauf die Witwe meines Bruders sie anschrie:
 - und was bitteschön
 sollte denn noch schlimmer kommen
 als das was passiert ist
 du alter Unglücksrabe?
 - daß du ihm davonläufst
 während er noch am Leben ist
 du Kohlenstück!
 und tatsächlich ist sie dann zwei Jahre
                                später abgehauen mit einem aus Ailaboun
 aber es stellte sich bald heraus
 daß der impotent war
 während meine Mutter immer wiederholte
 - gut daß es so gekommen ist und nicht
                                anders!
 Nun, was sind wir also? Optimisten
 oder Pessimisten?
 Wir brauchen uns darüber aber nicht zu streiten...
 Doch zurück zu Abu Ishak dem Militärgouverneur
 der mit seinen Telefongebrabbel fertig war
 mich neben ihn in seinen Jeep setzte
 und Vollgas gab.
 Bei Gott, liebe Leute, bevor wir Akka erreichten also in der Nähe von Al-Makr
 da trat Abu Ishak plötzlich so in die Bremsen
 daß der aufgewirbelte Staub die ganze Gegend
                                vernebelte
 sprang aus dem Jeep
 und zog seine Pistole...
 und während sich der Staub langsam wieder
                                senkte
 sah ich zwischen den Sesam-Ähren eine Frau
 die da hockte
 und in ihren Händen ein kleines Kind hielt
 und beide kuckten mit großen, großen
                                Augen
 - woher kommst du?
 sprich, oder ich erschieße dich!
 und, liebe Leute
 er richtete wahrlich die Pistole auf den Kopf
                                des Kindes
 worauf in meinem Kopf keine Vernunft mehr blieb
 und ich am liebsten aus dem Wagen gesprungen
                                wäre
 und ihm umgebracht hätte
 aber ich traute mich nicht
 - woher kommst du?
 - ich bin aus Birwa, oh Herr
 - und du willst nach Birwa zurück...
 - ja, oh Herr... ja, oh Herr
 ich habe niemanden mehr auf der Welt, mein Herr
 wo soll ich denn sonst hin, mein Herr?
 - habe ich euch nicht gesagt, daß es kein
                                Zurück gibt?
 ihr kennt keine Ordnung, kein Gesetz
 los, los, weg hier!
 Die Frau stand auf und nahm ihren Sohn an die
                                Hand und verschwand gen Osten
 während die Sonne unterging
 die Frau und ihr Sohn liefen und entfernten sich
 aber je weiter sie sich entfernten
 um so größer wurden sie
 je weiter weg
 um so größer
 und wurden größer und größer
                                und größer
 bis sie mit dem Kopf an den Himmel stießen
 und in meinen Augen die Welt schlagartig dunkel
                                wurde
 und so bekam ich das erste Signal
 von den Wesen aus dem All
 - wann werden die endlich für immer verschwinden?
 das war Abu Ishak
 und ich dache, er fragte mich
 aber er redete nur mit sich selber
 und dann trat er das Pedal durch bis nach Akka.
 Akka, mein Liebling Akka Akka war meine Mittelschule
 und Yu'ad meine erste Liebe
 Laß wandern dein Herz
                                wohin es will vor Sehnsucht
 die wahre Liebe nur dem ersten Geliebten gilt
 Wie viele Heime der Jüngling auch auf Erden
                                findet
 sein Sehnen doch nur dem ersten Heime gilt
 Wie ich mich in Yu'ad verliebt habe? Yu'ad fuhr immer zusammen mit uns im Zug
 der um halb Sieben von Haifa nach Beirut losfuhr
 sie lernte in der Mädchenschule von Akka
 nahe dem alten Stadttor, im oberen Stockwerk
 und ich lernte in der Jungenschule von Akka.
 Sie stieg jeden Tag in den Zug aus Haifa stieg ein mit gesenktem Blick
 und stieg aus mit gesenktem Blick
 nicht so wie die Mädchen heute
 mit so einem frechen Blick.
 Sie stieg immer ein und setzte sich in den letzten
                                Wagen ich also sofort dort rein
 und setze mich ihr genau gegenüber
 ich kucke, sie kuckt
 ich lächle, sie lächelt
 und es dauerte nicht lange
 bis sie mir eines Tages sagte
 komm, übersetze mir mal dieses Wort aus
                                dem Englischen...
 also ich war ‚something,
                                something' in
                                Englisch
 wirklich ganz, ganz gut
 aber gerade dieses Wort
 kannte ich nicht und wurde rot vor Scham
 aber sie kuckte nur auf und meinte
 macht doch nichts, setz dich
 und ich setzte mich
 und von jenem Tag an saß ich neben ihr
 hin und zurück
 Haifa - Akka und Akka - Haifa
 hin und her im Zug
 wir verliebten uns heftig
 und sie sagte, sie liebt mich
 weil ich so lustig bin
 und so hoch lachen würde
 also in Hocharabisch
 weil ich so kichern würde...
 nun, jedenfalls war da ein Junge aus meiner Klasse
 einen schlimmeren Griesgram hat Gott wohl niemals
                                erschaffen
 der war gehässig und ganz schlimm eifersüchtig
 und der verpetzte uns beim Direktor der Mädchenschule
                                in Akka
 worauf der Direktor der Mädchenschule in
                                Akka
 einen Express-Brief schrieb
 an den Direktor meiner Schule - Gott habe ihn
                                selig -
 also an Herrn Raouf
 und Herr Raouf sammelte alle Schüler
 die im Zug nach Haifa fuhren
 und hielt uns eine Ansprache
 - Haifa, Akka...
 und dazwischen liegt ein Meer!
 was dir, oh Sohn des Unheils
 in Haifa erlaubt sein mag
 das ist dir in Akka verboten
 denn Akka ist eine konservative Stadt
 schon seit Saladins Zeiten!
 In diesem Moment erinnerte ich mich an den berühmten Reisenden
 Abu al-Hassan Mohammad ibn Ahmad
 ibn Djubair al-Kinani al-Andalusi al-Schatibi
                                al-Balanisi
 das war einer
 der mal zwei Nächte in Akka verbracht hat
 zur Zeit des Saladin
 und dann über Akka schrieb
 daß es triefen würde vor Gottlosigkeit
                                und Gewalt
 und voller Schmutz und Unrat sei
 und ich erinnerte mich an meinen Großvater
 dessen erste Frau abgehauen war
 und von der er uns erzählte
 als wir noch klein waren
 daß sie das nur gemacht hätte
 weil sie aus Akka war.
 Und deshalb stellte ich mich von Herrn Raouf und sagte
 - Herr Raouf
 Yu'ad ist aber nicht aus Akka
 Yu'ad ist aus Haifa
 worauf er mich am Ohr packte
 aus der Klasse schmiß
 und einen Brief an ihre Familie schrieb
 worauf die
 überhaupt nicht faul
 mir einige ihrer Cousins vorbeischickten
 die mir am Bahnhof eine ordentliche Abreibung
                                verpaßten
 so daß ich ziemlich angeschlagen
 im Zug weg fuhr
 doch meine Liebe zu Yu'ad verdoppelte sich nur
 aber Yu'ad tauchte nicht mehr auf
 und ich habe sie nie wieder gesehen
 aber sie blieb im Herzen meines Herzens
 sie blieb im Herzen meines Herzens
 sie blieb im Herzen, im Herzen, im Herzen meines
                                Herzens.
 Traraaaa.....
 Doch zurück zu Abu Ishak dem Militärgouverneur
 Abu Ishak nahm mich also mit
 an die Westküste
 an den Strand
 aber nicht an den von San Fransisco
 sondern in das Polizeihauptquartier
 das an der Westküste von Akka liegt
 und übergab mich dort einem Polizeioffizier
 und dieser Offizier war ein Aschkenasi
 - kannst du hebräisch?
 - ich… ich kenne niemanden in Akka
 außer Herrn Raouf
 meinen Schuldirektor
 irgendwas haben sie dann herumgeflüstert
 der Ashkenasi-Offizier und Abu Ishak
 und schließlich brachten sie mich zur Al-Djazzar                                Moschee
 und als wir bei der Al-Djazzar Moschee angekommen
                                sind
 war es schon Nacht
 mit einem großen Vollmond.
 Abu Ishak nahm mich mit hoch
 die Treppen der Moschee
 bis wir vor dem nördlichen Eingang der Moschee
                                standen
 wo Abu Ishak drei mal klopfte
 worauf ich Bewegungen von Menschen in der Moschee
                                hörte
 und dann ein kleines Mädchen
 das weinte
 und dem jemand den Mund zuhielt
 dann hörte ich schlurfende Schritte
 die sich dem Tor näherten
 das Tor öffnete sich
 knaaarrrrrrz
 - der Friede sei mit euch
 - da ist noch einer, mein Herr
 der seine Anwesenheit
 um sieben Uhr morgens
 im Polizeihauptquartier nachweisen muß
 - der Friede sei mit euch
 - und mit euch
 hinein mit dir, Said
 - Herr Raouf!? der Direktor meiner Schule...?
 ich bin Said, Herr Lehrer
 und mein Vater hatte euch gebeten
 in aller Güte auf mich acht zu geben
 - meine Güte reicht weit, mein Sohn
 komm in meine Obhut
 - und deshalb hast du mich von Yu'ad getrennt
 - Haifa - Akka - Meer...
 sagte ich mir im Stillen
 aber er hat es nicht gehört
 - los, kümmert euch um eure eigenen Sachen,
                                Leute
 - das ist einer von uns
 doch die Menschen im Innern der Moschee begannen
                                sich um mich zu sammeln
 und kamen aus allen Ecken
 - der Friede sei mit dir
 - und mit euch
 - woher kommst du?
 - wie konntest du hierher gelangen?
 - vielleicht ist er ein Spion?
 - aus welchem Ort bist du, Bruder?
 - hütet euch!
 - hütet euch vor ihm
 - ach nein, Leute, er ist ein Junge
 noch kaum erwachsen
 - wir sind aus Kuwaikat, das zerstört wurde
 und dessen Bewohner vertrieben wurden
 hast du jemanden aus Kuwaikat gesehen, mein Lieber?
 - ich bin aus Manschija
 wo kein Stein auf dem anderen geblieben ist
 hast du vielleicht jemanden aus Manschija gesehen?
 - wir sind aus Ammaa , das verbrannt wurde
 und dessen Öl sie verschüttet haben
 hast du irgend jemanden aus Ammaa gesehen?
 - Ich bin aus Birwa , von dem nur noch die Kirche
                                steht
 hast du niemanden aus Birwa gesehen?
 - doch, ich habe eine Frau mit einem kleinen
                                Jungen gesehen
 die sich zwischen den Ähren des Sesams versteckten
 bei Al-Makr
 und Abu Ishak hat sie vertrieben.
 Die Menschen in der Moschee begannen sich zu
                                fragenwer diese Frau wohl gewesen sein mag
 und haben vierzig oder fünfzig Namen aufgezählt
 Mutter von diesem, Mutter von jenem
 bis plötzlich ein alter Mann
 der in einer Ecke saß und sich eine Zigarette
                                drehte
 laut sagte
 - das war Umm Al-Birwa, Leute
 die Mutter von Birwa.
  Ich rufe im Namen des Herrn, des Gewaltigendes Einen, des Lebenden, des Allmächtigen
 oh mein Segen, oh mein Gut
 sie bombardierten, bombardierten Kuwaikat
 oh mein Segen, oh mein Gut
 und dann war auch Birwa an der Reihe
 oh mein Segen, oh mein Gut
 Deir Al-Kassi ist verschwunden doch nicht vergessen
 oh mein Segen, oh mein Gut
 und Zieb Al-Zieb, das fraß der Wolf
 oh mein Segen, oh mein Gut
 Sahmata und Al-Safsaaf sind verschwunden
 oh mein Segen, oh mein Gut
 und Mi'aar , was warst du ein schöner Ort
 oh mein Segen, oh mein Gut
 und so weiter - und so fort...
 oh mein Segen, oh mein Gut
 was soll ich da bloß alles aufzählen...
 oh mein Segen, oh mein Gut
 das waren nur einige, ganz wenige unserer Dörfer
 die '48 alle zerstört wurden.
  - Herr Lehrer! was machen Sie denn hier, mein Herr?
 - ich sammle die Zerstreuten, mein Sohn
 und die Wahrheit ist, mein Sohn
 daß sie wirklich unsere Dörfer zerstört
 und die Bewohner vertrieben haben
 aber in ihren Herzen ist Mitleid
 wie es unsere Vorfahren von deren Besatzern nicht
                                erleben durften
 - bei Gott, Ihre Worte sind wie Honig
 aber wie meinen Sie das, Herr Lehrer?
 erklären Sie es mir
 - nimm ein Beispiel, mein Sohn
 wie ich es euch auch im Geschichtsunterricht
                                beigebracht habe
 als der verdammte mamelukische Führer Kalawun                                die Stadt Akka besetzte
 da hat er zweitausendsechshundert Köpfe
                                rollen lassen
 und deshalb wurde dieser Führer
 auch als der ‚Tausender' bezeichnet
 - aha, also daher kommen die ‚Aluf'
 die Tausender-Grade
 in der israelischen Armee, Herr Lehrer?
 - um Gottes Willen, aber nein, mein Sohn
 der Tausender-Grad kommt von dem Führer
                                der Eintausend in der Thora
 denn dies hier sind keine Mameluken
 sondern Rückkehrer in ihre Heimat
 nach einer Abwesenheit von zweitausend Jahren
 - was für ein erstaunliches Erinnerungsvermögen
                                sie haben müssen
 Herr Lehrer
 - sie sind gekommen, mein Sohn
 sie sind gekommen.
  Plötzlich hörten wir Schläge
                                an dem Tor der Moscheeund eine Stimme von außen, die rief:
 - alle rauskommen
 und in die Dörfer zurückgehen
 alle rauskommen
 und in die Dörfer zurückgehen
 nur Said und der Lehrer nicht.
 Im Innern der Mosche begannen die Leute hin
                                und her zu hastenund die Schukria
 die Frau die ihre Tochter erstickt hatte
 als sie ihr den Mund zuhielt
 hob ihr Mädchen auf und wollte aus dem östlichen
                                Tor verschwinden
 in Richtung des dunklen Bazars
 - wohin gehst du?
 - morgen begrabe ich sie neben meiner Mutter
 und dann verlasse ich mich auf Gott, mein Bruder
 einige der Leute flüchteten aus dem südlichen
                                Tor
 - he, wohin verschwindet Ihr denn
 sie wollen uns doch in unsere Dörfer zurückbringen
 - laß uns los, Bruder
 jene die unsere Dörfer zerstört haben
 wollen uns nicht wieder dorthin zurückbringen
 -und wir haben auch keinen Jakob Safsarschek
 der sich um uns kümmert, wie bei dir
 los Leute
 bevor sie uns alle abschlachten...
 und diejenigen, die in der Mosche blieben
 traten aus dem Haupttor heraus
 und trugen ihre Kinder und ihre Habseligkeiten
 unten warteten Soldaten der israelischen Verteidigungsarmee
 die packten alle auf Lastwagen
 und haben sie irgendwo im Norden abgeladen
 und bis heute
 sind sie noch dort im Norden.
 Flüchtlingslager
 im Libanon und in Syrien.
 Herr Raouf und ich blieben alleine in der Moschee
                                zurückdu hättest eine fallende Nadel hören
                                können
 - los, geh schlafen, mein Sohn
 - ich bin aber nicht müde
 ich fühlte mich eigentlich ganz froh so
                                alleine
 während die Menschen umherirrten
 und wer noch nicht umherirrte
 dem halfen die Soldaten dabei, umherzuirren
 nur ich blieb alleine
 und standhaft in meiner Heimat
 und das alles wegen Jakob Safsarschek
 dem Freund meines Vaters?
 ist der etwa ein Zauberring?
 oder Aladains Wunderlampe?
 Doch es gibt ein Geheimnis um meine Standhaftigkeit
                                in meiner Heimatund ich bin bereit
 euch dieses Geheimnis zu verraten
 wenn mir jemand netterweise eine Zigarette gibt...
 Was ist also das Geheimnis meiner Standhaftigkeit
                                in der Heimat?  In unserer Familie ist es üblichnur geduckt herumzulaufen
 und den Kopf zwischen die Beine zu stecken
 fragt mich mal, warum?
 tja, keine Ahnung
 sie suchen vielleicht einen Schatz da unten
 zwischen ihren Beine
 der ihr ganzes Leben verändert...
 jedenfalls hatte ich einen Onkel Said
 - Gott hab ihn selig -
 der lebte zu Zeiten der Türken
 der ging einmal aus und hielt seinen Kopf...
                                wo?
 na, zwischen die Beine gesteckt!
 er lief und lief und lief und lief
 und bumms!
 knallte er mit dem Kopf gegen eine alte Mauer
 und machte ein Loch rein
 er schaute es sich an
 bohrte noch etwas herum
 und blickte dann durch die Öffnung
 durch die er eine Treppe sah
 die in eine Höhle führte
 jedenfalls ging er schließlich diese Treppe
                                hinunter
 und es war sehr dunkel.
 So machte er sein Feuerzeug anund lief und lief und lief
 bis er ans Ende der Höhle kam
 wo er einige Gräber fand
 er öffnete eins
 und fand neben den Knochen schwere Halsreifen
                                aus Gold
 die er in seine Unterhose steckte
 wo sich - oh Freigiebigkeit Gottes -
 noch viel Patz befand
 also öffnete er ein weiteres Grab
 und fand einen kleinen Schädel
 und eine Statue aus gegossenem Gold
 von Chan Möngke
 dem Bruder des großen Hülägü
 der an Durchfall starb
 während er das große chinesische Reich
                                angriff
 doch vor Freude verlor mein Onkel sein Feuerzeug
 und es wurde stockfinster
 und er fand den Weg hinaus nicht mehr
 da rief und schrie er nach seiner Frau
 dachte wohl, sein Haus wäre direkt über
                                ihm
 jedenfalls schrie er so laut
 daß ihn seine Frau tatsächlich hörte
 und er ihr sagen konnte
 wo er war
 er beschrieb ihr
 wie sie durch die Öffnung, die zur Höhle
                                führt
 zu ihm heruntersteigen könne
 und beschwor sie beim Grabe ihres geliebten Vaters
 niemandem ein Sterbenswörtchen davon zu
                                sagen
 nicht einmal seinem Bruder
 dem Sohn seiner eigenen Eltern
 und sagte ihr, sie solle ein Feuerzeug mitbringen
 und so begann seine Frau zu suchen
 fand aber weder Wand noch Loch
 ging daraufhin wieder nach Hause
 steckte ihren Kopf unter das Bett
 und begann nach ihm zu rufen
 - heeee! Said!
 - ja, wo bleibst du denn?
 - was für eine Wand?
 und was für ein Loch?
 - Gott möge das Grab Deines Vater verfluchen
 du schaffst es ja, das Meer auszutrocknen
 oh, Gott möge Unheil über den bringen
 der mir durch dich Unheil gebracht hat
 doch Morgenstund hat Gold im Mund
 ich werde meinen Weg schon noch finden
 und wehe dir...
 daß du bloß niemanden etwas davon
                                erzählst!
 - gut, gut...
 und möge dein Glaube verflucht sein!
 Der Morgen kam, dann der Mittag
 und schließlich wurde es dunkel
 aber mein Onkel Said hatte noch immer nicht herausgefunden
 da bekam seine Frau Angst
 und erzählte es seinen Geschwistern
 die daraufhin loszogen
 um ihn zwischen ihren Beinen zu suchen
 sie hatten Angst davor
 es den offiziellen Stellen zu erzählen
 damit diese den Schatz des Chan
                                Möngke nicht
                                beschlagnahmen
 und so haben sie lange zwischen ihren Beinen
                                herumgesucht
 seit der Zeit der Türken
 und während der Tage der Engländer
 bis dann Israel gegründet wurde
 und bis heute suchen sie ihn immer noch zwischen
                                ihren Beinen
 Genau deshalb suche ich nach gar nichts zwischen
                                meinen Beinen ich weiß nämlich sehr genau
 was da zwischen meinen Beinen ist
 und so laufe ich herum
 die Beine auf dem Boden - aber den Kopf im Himmel
 und warte auf die Wesen aus dem All
 vielleicht kommen diese ja und holen mich
 und verändern mein ganzes Leben
 das nicht einmal eine Zwiebelschale wert ist
 denn was ist das Leben eines Menschensohnes von
                                uns wert
 ohne ein Gramm Würde?
 Jedenfalls, liebe Leutebin ich dann früh morgens
 aus der Djazzar Moschee raus
 und habe mich in den Gassen von Akka herumgetrieben
 ich lief umher, bis die Sonne unterging
 da sah ich von weitem
 etwas leuchten und blinken
 an und aus
 an und aus
 und erinnerte mich sofort an das linke Auge meines
                                einstigen Arabisch-Lehrers
 das auch immer an und aus ging
 als ich nämlich anfing, bei ihm Unterricht
                                zu haben
 da dachte ich immer, daß er mich anblinzelt
 damit ich an die Tafel soll
 worauf er sagte
 zurück an deinen Platz, du Klotz
 ich stehe auf zur Tafel
 und er sagt
 zurück an deinen Platz, du Klotz...
 ich ging jedenfalls auf das Licht zu, das mich
                                anblinzelte
 und war bald in Al-Fakhoura
 und das Licht, das ich gesehen hatte, war der
                                dortige Leuchtturm
 - Said, oh Said!
 komm näher, komm her...
 Aus dem Leuchtturm kam ein alter, hochgewachsener
                                Manngrößer als der Leuchtturm selbst
 in einem weißen und blauen langen Überwurf
 wie die Farbe des Mondlichts auf den Wellen
 er kam näher und ich ging näher
 er kam näher und ich ging näher
 und dann trafen wir uns auf der Mitte der zerstörten
                                Mauer von Al-Fakhoura
 vor Angst wollte ich mich küssend auf seine
                                Hände stürzen
 aber er streckte mir nur seine Hand hin
 an der ich mich festklammerte
 und zum aller ersten mal in meinem Leben
 fühlte ich mich in Sicherheit
 - hast du mich nicht gesucht, Said?
 - ein ganzes Leben lang, oh Meister
 seid Ihr nun also gekommen?
 - wir haben euch niemals verlassen, Said
 wir warten nur darauf, daß ihr zu uns kommt
 hm - also, was willst du, Said?
 - errettet mich, oh Meister!
 - vor wem denn?
 Ich zog meine Hand aus der seinenund erinnerte mich an die Worte meines Vaters
 ich solle niemals jemandem vertrauen
 vielleicht hatte ihn der Militärgouverneur
                                ja geschickt
 um mich auszuspionieren
 - wie heißt Du, Meister?
 - wir benennen uns niemals mit Namen
 aber wenn du magst
 dann kannst du mich den Erlöser nennen
 - gut, dann erlöse mich, Meister!
 - erlöse dich doch selber!
 also wenn dir dein Leben nicht gefällt
 das ‚nicht einmal eine Zwiebelschale wert
                                ist'
 du aber nicht mutig genug bist
 um den Preis für deine Erlösung zu
                                zahlen
 weil er so hoch ist
 dann erinnerst du dich an mich und kommst her?
 oh Schande
 ich schau mir die anderen an und werde sehr böse
                                mit dir, oh Said!
 was fehlt dir denn?
 du stehst doch erst am Anfang deines Lebens
 und wirst dem Tod doch nicht entrinnen
 als daß du dich um dein Leben zu fürchten
                                brauchst
 - ja-ja, gut
 dann gehe ich morgen nach Haifa
 und in die Heimat zurück, oh Meister
 was empfiehlst du mir zu tun?
 - mein Rat wird dir nichts nutzen
 aber ich will dir diese Geschichte erzählen:
 in einem der vielen Wälder Persiens
 lag zwischen den Bäumen eine Axt herum
 aber ohne Stiel, ohne Griff
 die Bäume hatten Angst
 und meinten
 da liegt eine Axt herum
 bestimmt nicht absichtslos!
 worauf das kleinste Bäumchen sich aufrichtete
 und sagte
 aber es gibt für uns nichts zu befürchten
 solange nicht euer Holz
 ihr Großen
 in ihr Loch eindringt...
 - hm, also das verstehe ich nicht ganz, Meister
 wann kann ich dich wieder sehen, oh Meister?
 - wann immer du willst, kannst du mich hier treffen
 - um wieviel Uhr?
 - wenn du zusammenbrichst, oh Said
 wenn du zusammenbrichst
 - oh Meister, oh Meister
 oh, oh Meister
 He, es ist ja schon hell
 und um sieben Uhr früh
 muß ich meine Existenz nachweisen auf dem
                                Polizeihauptquartier...
 ich hockte mich also ab halb sieben davor
 und genau zwei Minuten vor sieben
 ging ich hinein und fragte nach dem Herrn Militärgouverneur
 worauf sie mich bei einer Tasse Tee
 bis um vier Uhr nachmittags warten ließen
 um vier kam dann ein blonder Soldat
 in einen Militärtransporter der Armee
 der völlig staubig und lehmverschmiert war
 und setzte mich neben sich und nahm mich mit
 nach Haifa
 zu Jakob Safsarschek
 dem Freund meines Vaters
  Er nahm mich mit zu Jakob der auf uns wartete
 in seiner Militäruniform
 - fang, fang, fang den Hut
 er küßte mich von hier und von hier
 drückte mir zehn Pfund in die Hand
 setzte mir symbolisch ein Käppchen auf
 und machte mich zu einem der ihren
 - fang, fang, fang den Hut
 nimm und freue dich, mein Auge
 nimm und freue dich, mein Auge
 dein Vater hat uns sehr gedient
 - fang, fang, fang den Hut
 und so begann ich Eselsfleisch zu essen
 also Mortadella-Würstchen
 aus den in den Dörfern hinterbliebenen
 und daraufhin geschlachteten Eseln
 ich habe Eselsfleisch gegessen
 ich habe Eselsfleisch gegessen
 im Restaurant vom Baron György
 - fang, fang, fang den Hut
 bis sie mir ein neues Haus fanden
 bis sie mir ein neues Haus fanden
 eines von den verlassenen arabischen...
 - fang, fang, fang den Hut
 Jakob hat mich dann als Arbeiterführer
                                eingesetzt als Funktionär der Union palästinensischer
                                Arbeiter
 die heute die Arbeiterpartei heißt
 also die Histadrut
 und er fand eines der arabischen Häuser
                                für mich
 die verlassen waren im Nisnas-Tal
 eines dieser arabischen Häuser
 die sie zubetoniert hatten
 und als Besitztümer des abwesenden Feindes
                                bezeichneten
 Rechush Natush
 ich wollte mein Haus ausstatten
 und bin also in die verlassenen Häuser hinein
 durch die verbliebenen Löcher
 von hier ein Tisch
 von da ein Stuhl
 von dort ein Kissen
 also, es gab da Häuser in die ich hinein
                                bin
 liebe Leute
 da fand ich bereits gefüllte Kaffeetassen
 doch die Leute hatten keine Zeit mehr gehabt
 sie auszutrinken
 da trank ich den Kaffee
 und steckte mir die Tassen in die Taschen.
 Von Haus zu Haus habe ich mir ein Haus geschaffen
 worauf die Kommunisten sauer wurden
 und darüber in ihrer Zeitung schrieben
 - fang, fang, fang den Hut
 also in der ‚Union'
 worauf ich mich wichtig und bedeutend fühlte
 immerhin, die Kommunisten schrieben schließlich über
                                mich!
 - fang, fang, fang den Hut
 Jakob hatte mich ja als Arbeiterführer
                                eingesetzt wie ich Euch schon erzählt habe
 und nun schrieben sie in der Zeitung über
                                mich
 ich fühlte, daß ich kein irgend jemand
                                mehr war
 sie schrieben ja schließlich in der Zeitung über
                                mich
 und da ergoß sich plötzlicher Mut
                                in meine Adern
 wie ein Erguß von Bananen und Äpfel
                                und Trauben
 und ich erinnerte mich an unser Haus
 am Rand von Haifa
 gleich gegenüber der katholischen Kirche.
  Ich schulterte also meine Angel nahm den Bus und kein Taxi
 - fang, fang, fang den Hut
 stieg dann aus dem Bus überquerte schnell die Schienen
 - besser als daß mich ein Zug überfährt
 ich verletzt werde und sterbe -
 und ging
 um nach unserem Haus zu schauen.
 Doch zuerst besuchte ich meine Tante Umm As'ad eine alte Frau
 und ziemlich kurzsichtig
 die immer die katholische Kirche fegte
 schon seitdem wir klein waren
 und tatsächlich fand ich sie
 noch immer dabei
 die Kirche zu fegen
 und sagte, Gott sei's gelobt
 ich stürzte mich auf ihre Hand um sie zu
                                küssen
 doch sie dachte
 ich sei jemand vom statistischen Amt
 einer von jenen Beamten, die zählen
 was uns noch geblieben ist
 und die gezählt so falsch aussprachen
 so daß es wie gezähmt klang
 deshalb zog sie ihre Hand weg und sagte mir
 - ich bin schon gezähmt, mein Herr
 was wollt Ihr von mir?
 wollt Ihr mich etwa jeden Tag von neuem zähmen?
 ich bin schon gezähmt, gezähmt
 unser Vater Priester hat mich gezähmt
 verstehst ihr nicht, gezähmt, gezähmt!
 unser Vater Priester hat mich gezähmt
 hat das ganze Viertel gezähmt
 und das ganze Dorf
 - ich bin Said, meine Tante
 hast du mich denn schon vergessen?
 - welcher Said?
 - der Sohn des Unheils
 - Sohn des Unheils?
 oh, wo bist du, mein Liebling, wo?
 ich umarmte sie, damit sie mich fand
 - wie geht es deiner Mutter, Kleiner?
 und was macht die Milch
 panscht ihr sie immer noch mit Wasser?
 - unser Haus, Tante
 was ist mit unserem Haus passiert?
 - ist bewohnt, Kleiner
 - von wem?
 - von Juden
 - und kennst du sie?
 - Gott zerstöre ihre Heime
 die sind doch einer wie der andere
 - meinst du, sie machen mir auf
 wenn ich klopfe
 damit mir abschauen kann
 was aus unserem Haus geworden ist, Tante?
 - das weiß ich genausowenig wie du, mein
                                Liebling
 komm, ich mache dir eine Tasse Kaffee
 - nein, nicht nötig
 vielleicht das nächste Mal.
 Ich küßte die Hand meiner Tante Umm
                                As'ad und ging, um mir unser Haus anzuschauen
 ich sah davor eine Wäscheleine hängen
 und so traute mich nicht hinein
 sondern tat so
 als würde ich am Meeresufer spazieren gehen
 und die frische Luft genießen
 hin und her - hin und her
 bis eine Frau aus dem Haus trat und mich sah
 und irgend etwas mit irgend wem redete
 worauf ein Mann, wohl ihr Gatte
 aus dem Haus trat
 und zusammen mit seiner Frau die Wäsche
                                abnahm
 also wirklich!
 gab es - bei Gott - je einen Mann
 der die Wäsche seiner Frau abnahm?
 das war bestimmt ein Plan
 wer weiß, was die da gegen mich vorbereiteten
 ich floh
 ging schneller
 um noch den Bus zu erwischen
 auf der Straße sah ich jüdische Arbeiter
                                -
 woher ich wußte, daß es Juden waren?
 na, die alle waren khakifarben gekleidet
 und ich wollte wissen
 wie spät es ist
 aber wie sagt man bloß auf Hebräisch
 wieviel Uhr ist es?
 ach ja, ma scha'a
 - ma scha'a?
 - acht
 - acht?
 oh, acht ist ja auf deutsch...!
 jedenfalls ging ich in Richtung Nisnas-Tal
 und nahm mir fest vor
 Hebräisch zu lernen
 da half alles nichts
 und tatsächlich, nach zehn Jahren
 hielt ich meine erste Rede in Hebräisch
 vor dem Bürgermeister von Haifa
 sie haben die Rede sogar aufgenommen
 und im Lokalblatt veröffentlicht
 worauf mich die Kommunisten wieder einmal beschimpften.
 [Ende des ersten Teils - Pause - der zweite
                                Teil]  Während eines Frühlings in den fünfziger Jahren
 ging ich angeln bei Djisr Al-Sarka
 am Meeresstrand
 und dieses Djisr Al-Sarka
 ist bei Gott ein seltsamer Ort
 denn dieses Djisr Al-Sarka
 und auch der Ort Al-Fredies
 haben standgehalten
 obwohl sie zu den kleinsten Ortschaften gehörten
 zwischen Haifa und Jaffa
 während Al-Teirah, Kafar
                                Lam und Jabbaa,
 Igzem und Sarfand und Umm
                                Khaled,
 das nördliche Jalila und das südliche
                                Jalila,
 Khirbat Al-Sababdeh und Khirbat
                                Al-Burj,
 Al-Tantoura, Kissaria, Ain
                                Al-Hod und Ain Al-Ghazal
 und Zammarien
 während alle diese anderen Orte
 vom Antlitz der Erde verschwunden sind -
 nur nicht Al-Fredies und Djisr
                                Al-Sarka.
 Al-Fredies blieb bestehen aus einem Grund der ‚in der Seele Jacobs verborgen' blieb
 wie es im Koran so schön heißt
 doch nicht etwa der des Jakob Safsarscheks
 dem Freund meines Vaters
 sondernd der von Jacob de Rothschild
 diesem geizigen englischen Millionär
 der Sichron Jaakov gebaut hat
 und die Bewohner von Sichron Jaakov
 sind alle Aschkenasim
 die aus Europa gekommen sind
 die haben Wein angebaut
 und an die arabischen Könige und Emire verkauft
 in der weiten arabischen Wüste
 und so blieb Al-Fredies bestehen
 wegen seinen Söhnen
 die in den Weinbergen gearbeitet haben
 von Sichron Jaakov
 wobei wir nicht böse sein dürfen
 auf die Araber von Al-Fredies
 die in den Weinbergen gearbeitet haben
 denn wer hat die Straßen gebaut?
 und wer hat die Häuser gebaut?
 wer hat die Bunker gebaut
 und all die anderen Verteidigungsanlagen?
 wer hat die Baumwolle angepflanzt, geerntet und
                                gesponnen
 und die Stoffe gewebt
 mit denen sich die arabischen ‚Herrschaften'
 der Dynastien Raghdan und Basman einkleiden konnten?
 wer hat denn in der berühmten israelischen
                                Textilfabrik ATA gearbeitet
 außer den Arabern?
 es war sogar die Rede davon
 daß die Arabische Nationalunion
 aus dem Stoff von ATA
 eine einheitliche Kleidung schneidern wird
 für alle Teilnehmer der Arabischen Gipfeltreffen
 damit sich alle gleichen
 wie die Zähne eines Kamms
 denn kein Araber ist besser als ein Fremder
 außer...?!
 na, außer durch seine Monarchien
 und durch seine Kopfbedeckungen Kufija und Akal
 jene Symbole von Ritterlichkeit und Arabertum
 und wenn dann das arabische Blut in Wallung gerät
 was passiert dann wohl?
 gar nichts
 dann schimpfen sie nur
 auf all die ausländischen Importe
 nur nicht auf die Monarchien und die Kufija
 und nicht auf Kneipen, Flugzeuge und Autos
 Dollars und Fotos und Untertänigkeit
 Handküsse und Thronfolger
 Unterdrückung und Ausbeutung der Arbeiter
 Unmoral und Korruption
 im Zeitalter des Entblößens und des
                                blinden Gehorsams
 so daß sie sogar sagen
 entblöße dich für den Krieg und
                                opfere dich
 und entblöße dich für den Frieden
                                und opfere dich
 und rufe: hoch lebe der König!
 Wer hat denn die Erde gepflügt und bepflanzt in Israel
 außer den Arabern
 die in Israel geblieben sind
 und die nie erwähnt worden sind
 in jenen Reden
 in denen herumgetönt wurde
 wir schmeißen sie alle ins Meer!
 Einmal, so hat Jakob mir erzählt gab es Streit unter den Aschkenasim von Sichron
                                  Jaakov
 ob man denn seine Frau am Sabbat vögeln
                                darf
 oder ob dies Avoda ist, also Arbeit?
 ist es ein lustvoller Spaß - oder Arbeit?
 sie gingen also zum Rabbi und fragten ihn
 - Spaß oder Arbeit?
 der Rabbi dachte lange, lange nach
 - nein, das ist Spaß und erlaubt
 da sagten sie
 - und wie sollen wir das verstehen?
 und er antwortete
 - wenn das nämlich Avoda ist
 also Arbeit
 dann müßtet ihr die Araber aus Al-Fredies                                holen
 um diese Arbeit zu tun!
 Jakob und ich brüllten vor Lachen Jakob lachte, weil er die Aschkenasim nicht mochte
 und ich lachte um zu lachen
 und so blieb also Al-Fredies bestehen
 und wurde nicht zerstört...
 aber Djisr Al-Sarka
 ist eine ganz andere Geschichte
 denn als die Armee'48 dort einrückte
 um den Ort zu besetzen
 diese unbezwingbare israelische Armee...
 - also hat das eigentlich schon mal jemand ernsthaft
                                probiert
 und sie tatsächlich nicht bezwungen?! -
 jedenfalls
 als die Armee in den Ort einrückte
 da war er völlig leer
 und die Armee dachte
 die Leute wären geflüchtet
 aber die waren gar nicht geflüchtet
 wißt Ihr wo die waren?
 die waren am Krokodilfluß um Fische zu
                                fangen.
 Ich habe sie gesehen, wie sie in den Fluß hinabgestiegen
                                sind kurz vor Sonnenuntergang
 und sich in Reihen aufstellten
 die Männer vorne und die Frauen hinten
 ihre Hände in das Wasser des Flusses streckten
 und zappelnde Fischer herauszogen
 alle machten das gleiche
 außer einem Mädchen
 einem blondem, mit blauen Augen
 diese stand alleine auf einem Felsen
 und fing keine Fische wie die anderen Dorfbewohner
 aber jedes mal
 wenn einer einen Fisch fing
 bebten ihre Lippen und ihre Augen füllten
                                sich mit Tränen
 und in diesen Augen sah ich
 Verwirrung und Fremdheit
 und überschäumendes Leben und Rasse
 was mein Interesse für sie weckte
 doch als sie merkte, daß ich mich für
                                sie interessiere
 tat sie so, als würde sie es nicht bemerken
 doch da war ein Junge aus Djisr Al-Sarka
 der sich immer neben mich setzte
 und hinuntertauchte
 wenn sich mein Angelhaken im Schlamm verfing
 um ihn wieder loszumachen
 den fragte ich
 - he, warum fängt das Mädchen da keine
                                Fische
 wie die anderen aus dem Dorf?
 und er antwortete mir
 - kümmere dich nicht um sie, Mann
 die ist ein Flüchtling hier
 die ist aus Al-Tantoura
 das zerstört wurde
 und ihre Onkel wohnen hier bei uns
 aber die ist verrückt
 kümmere dich nicht um sie
 mal lacht sie, mal weint sie
 außerdem liest sie ständig Bücher
 kümmere dich nicht um sie
 ich fragte ihn
 wer diese Onkel sind
 die in Djisr Al-Sarka wohnen
 er solle das mal für mich herausfinden
 und in der darauf folgenden Woche
 am Samstag
 als ich zum Fischfang ging
 kam dieser Junge zusammen mit vielen, vielen
                                anderen Kindern
 und alle fingen an Steine nach mir zu werfen
 also ging ich zurück nach Hause ins Nisnas-Tal
 sperrte mich in mein Zimmer ein
 und sagte mir
 Junge, wer kein Glück hat
 der sollte besser weder kommen noch gehen!
 du hast die aus Tantoura verloren
 genau wie du Yu'ad verloren hast.
 Und - bei Gott - während ich so völlig betrübt
                                und vergraben da saß
 stürzte plötzlich Jakob herein, ohne
                                an die Tür zu klopfen
 - was hast du in Djisr Al-Sarka gemacht?
 - Fische fangen, ist das verboten?
 - und was willst du von den Mädchen aus
                                dem Ort?
 - he, ich wußte doch nicht
 daß das ein kommunistisches Mädchen
                                ist!
 Jakob brach in schallendes Gelächter aus
 über mich
 und ich lachte auch über mich
 - es besteht keine Gefahr
 daß sich jemand als Kommunist entpuppt
 in so einem isolierten Ort hinter Sand, Dunkelheit
                                und Spinnweben
 - was meinst du mit Spinnweben?
 - die sind alle eine einzige Sippschaft
 sie sind verbandelt und verwoben miteinander
                                wie die Spinnweben
 - und das Mädchen aus Tantoura ?
 - sie heißt eigentlich Bakija
 und es besteht keine Gefahr
 denn ihre Onkel gehören zu uns.
 Er beruhigte mich jedenfalls daß sie sich nicht als Kommunistin entpuppen
                                würde
 und versprach mir
 mich mit ihr zu verheiraten
 genau wie er mir zuvor versprochen hatte
 nach Yu'ad zu schauen
 jedenfalls habe ich Nachts nicht mehr geschlafen
 sondern bin los, um die arabischen Arbeiter aufzusuchen
 die in Haifa die Häuser bauten
 und die auch in den Häusern in Haifa schliefen
 ich weckte sie mitten in der Nacht
 und verabreichte ihnen eine Gehirnwäsche
 gegen die Kommunisten
 und wenn ich dann morgens eingeschlafen bin
 sind sie los zu ihrem Tagewerk.
 So ging die Geschichte bis zu den ersten Knesset-Wahlen '51
 als Jakob plötzlich bei mir im Büro
                                erschien
 - ich beneide dich, Sohn des Unheils
 ich beneide dich!
 - um was beneidest du mich?
 - die Kommunisten haben 16 Stimmen in Djisr Al-Sarka
                                bekommen
 und unser großer Boß hat beschlossen
 dich hinzuschicken
 um den Baum der kommunistischen Partei
 mitsamt seinen Wurzeln auszureißen
 - und wie?
 - wir werden dich mit Bakija verheiraten!
 Und noch bevor ein Monat herum war verheirateten sie mich tatsächlich mit Bakija
 und in der Hochzeitsnacht...
 mach dich bereit, du Schöne, du Schmuckstück
 du Blume eines herrlichen Gartens
 tam-tiriram - tam-tiriran...
 steh auf und schau hinaus in den Salon
 wie es wohl deinem Bräutigam geht
 oh, du Licht, du Licht, du Licht meiner Augen...
  - Oh Liebling meines Herzens oh mein Leben...
 - warte mal, Said, ich liebe dich
 genau wie du mich liebst
 denn du bist meine einzige Hoffnung
 die mir auf der Welt verblieben ist
 aber ich muß dir mein Geheimnis verraten
 mein Geliebter:
 bei unserem Ort Tantoura
 inmitten einer Felshöhle im Meer
 ruht eine verschlossene Eisentruhe voller Gold
 das Gold meiner Mutter, meiner Großmutter
                                und meiner Schwestern
 das mein Vater für uns versteckt hat
 und der mir auch sagte wo
 bevor er starb
 wir müssen es holen, mein Geliebter
 denn ich möchte nicht
 daß meine Kinder mit gebeugten Rücken
                                aufwachsen, mein Geliebter
 ich habe mich daran gewöhnt
 in Freiheit zu atmen, mein Geliebter
 - he, was erzählst du da
 von wegen in Freiheit atmen, mein Geliebter...
 machst du dir keine Sorgen um den großen
                                Boß mit der Sonnenbrille?
 oder um die Regierung?
 Und so hörte ich plötzlich daß es in diesem Land auch Leute gibt
 die keine Angst vor der Regierung haben
 oder vor den Leuten der Regierung
 doch bestimmt hat jeder von diesen Leuten
 irgendein Tantoura irgendwo
 und eine verschlossene Goldkiste
 schließlich habe auch ich jetzt ein Tantoura
 und eine verschlossene Goldkiste
 jedenfalls - um es kurz zu machen -
 schlief sie auf meinem Arm ein
 worauf auch dieser einschlief
 während ich nur an Tantoura dachte
 und an die Kiste...
 Doch ohne nun eine lange Geschichte daraus zu
                                machen
 - obwohl die Geschichte wirklich recht lang war
                                -
 wurde uns das Haus im Nisnas -Tal irgendwann
                                zu klein
 und ich fand ein etwas besser geeignetes Haus
 am Hang
 in Schderot Hazionutin Haifa
 ich zahlte die Ablösesumme
 hatte nun aber nicht mehr genug Geld
 um einen Wagen zu mieten
 und so zog ich meine Sachen
 die ich aus den anderen verlassenen arabischen
                                Häusern gezogen hatte
 Stück für Stück zu Fuß hinüber
 und - bei Gott - als ich da lief
 hielt plötzlich neben mir ein Wagen an
 und ein Mann stieg aus
 der wahrlich Unglücksbote hieß
 der zog einen Stift und ein Papier hervor und
                                sagte
 - wir...
 er sagte ‚wir', dabei war er doch alleine...
 wir sind die Wärter des Eigentums der abwesenden
                                Feinde
 Rechush Natush
 ich verstand aber nicht
 was Rechush Natush heißen soll
 - ich bin der Freund von Jakob
 - nein, nein, nein, ich will eine Bestätigung
 einen Beweis
 daß diese Sachen deine sind
 und nicht geklaut
 - mein Bruder
 wer und wann trägt denn jemand
 eine Bestätigung mit sich herum
 daß die Kleider, die er an sich hat
 seine Kleider sind und nicht geklaut?
 - nein, nein, nein, das ist Staatseigentum
 das ist Rechush Natush
 - aber lieber Onkel
 wir sind doch alle Rechush Natush!
 jedenfalls ließ er nicht ab von mir bis Jakob erschien
 und mich aus der Hand der Regierung befreite
 aber sicher fühlte ich mich doch nicht
 und fürchtete
 daß mich dieser Rechush Natush nicht in
                                Ruhe lassen würde
 und jedes mal
 wenn es Nachts klopfte
 sprang ich erschrocken auf und sagte
 das ist jetzt der Rechush Natush!
 und nachdem mir meine Frau Bakija
 die Geschichte von Al-Tantoura
 und der Kiste erzählt hatte
 selbst wenn nur jemand von den Nachbarn anklopfte
 um uns zur Verlobung seiner Schwester einzuladen
 schreckten Bakija und ich auf
 - sie haben das Geheimnis entdeckt!
 - nein, haben sie nicht!
 - sie haben es!
 - nein, haben sie nicht!
 haben es, haben es nicht
 haben es, haben es nicht
 haben es, haben es nicht
 sie wurde jedenfalls schwanger und gebar einen
                                Sohn
 und wollte den Jungen Fathi nenne, nach ihrem
                                Vater
 - Gott habe ihm selig, dem Fathi -
 doch da kam der große Boß
 der mit der Sonnenbrille
 also der Schin Bet
 der Mossad
 und meinte
 - Fat'khi... Fat'h?! Nein!
 worauf wir sofort zum Innenministerium sind
 und den Jungen von Fathi, dem Eroberer
 zu Walaa, dem Loyalen
 gemacht haben
 und weil ich ja wußte
 daß die Geburtenbeschränkung bei den
                                Arabern in Israel
 aus einem Gefühl der Loyalität
 gegenüber dem Staat entspringt
 haben wird außer Walaa auch kein weiteres
                                Kind gezeugt
 denn wie das arabische Sprichwort schon sagt
 bedächtig bleibt unversehrt - und eilen
                                heißt bereuen
 und so geduldete ich mich
 bis mein Sohn Walaa 14 Jahre alt wurde
 und schön wie ein Weidensproß.
 Ich nahm ihn mit an das Ufer bei Al-Tantoura ließ ihn auf einem Felsen stehen
 und gab ihm eine Angel
 während ich mir die Kleider auszog
 und in der Nähe der Ruinen von Al-Tantoura
                                schwimmen ging
 und nach der Höhle tauchte
 von der mir meine Frau Bakija erzählt hatte
 doch ich sah nur die bunten Fische
 und hörte meinen Sohn Walaa nach mir rufen
 - nach was suchst du denn, Papa?
 - nach dem Goldenen Fisch, mein Sohn
 - meinst du, du findest ihn?
 - vielleicht, mein Sohn
 wenn du mir nicht soviel Fragen stellst
 und ich noch etwas tiefer tauchen kann
 - hat denn hier schon jemand vor dir
 den Fisch gefunden, Papa?
 - ja, mein Sohn
 ich hörte die Leute davon reden
 - und was machen wir mit ihm
 wenn wir ihn finden, Papa?
 - dasselbe, was die anderen gemacht haben
 mein Sohn
 - und was haben die anderen gemacht, Papa?
 - das haben sie mir nicht gesagt
 mein Sohn
 - komm, laß uns gehen, Papa.
 Ich konnte nie verstehen warum es Walaa immer so eilig hatte
 den Strand wieder zu verlassen
 bis er mir einmal sagte
 - warum hast du denn Angst davor, Papa
 daß dich jemand sieht, wie du den Goldenen
                                Fisch suchst?
 - hmm, besser daß mir keiner zuvorkommt
 und ihn vor mir findet
 - gut, aber wenn du den Goldenen Fisch findest
 und die Regierung davon erfährt
 nimmt sie ihn dir dann nicht weg
 so wie sie Großmutter und Großvater
 Tantoura weggenommen haben?
 - wer hat dir denn das erzählt, mein Sohn?
 - meine Mutter, Papa
 - verflucht sei der Vater deiner Mutter, mein
                                Sohn!
 Und in jener Nacht gab es einen Streit zwischen
                                mir und meiner Frau aber nur ganz leise und flüsternd
 besser, Walaa hört uns nicht
 und ich machte ihr klar
 daß sie ihm klar zu machen hat
 daß er niemandem vertrauen darf
 sich mit niemandem befreunden darf
 mit niemandem reden darf
 mit niemandem gehen darf
 und daß er niemanden glauben darf
 ich machte ihr gerade klar
 daß sie ihm klar zu machen hat
 daß er mit niemanden über diese Sache
                                reden darf
 als plötzlich Walaa auf Zehenspitzen herein
                                kommt
 - seid still
 die Milchfrau ist da
 paßt also auf
 man sagt, sie arbeitet für den CIA!
 Tatsächlich die Sprichwörter lügen nicht
 wenn dein Sohn heranwächst, dann verbrüdere
                                dich mit ihm
 denn was uns mit unserem Sohn Walaa passierte
 war das gleiche
 wie was dem Bauern passierte
 der ein sehr hübsches Mädchen heiratete.
 Also da war einmal ein Bauer der heiratete ein hübsches Mädchen
 aber er war dermaßen eifersüchtig
                                auf sie
 vor den Blicken der Leute
 daß er sich eine große Kiste nahm
 und sie da hineinpackte
 die Kiste mit einem großem Schloß sicherte
 und das ganze dann auf seinen Rücken hob
 wohin er auch ging
 blieb sie immer in der Kiste
 und eines Tages
 als er gerade beim Pflügen seines Landes
                                war
 und dabei die Kiste auf seinem Rücken trug
 in der sie hockte
 kam der Emir Badr Al-Zaman vorbei
 und wunderte sich sehr
 - was hast du denn da auf deinem Rücken,
                                Bauer?
 - bei Gott, da ist mein Weib drin
 - laß herunter, das will ich sehen!
 der arme Bauer läßt also die Kiste
                                von seinem Rücken runter
 macht sie auf
 und erwischt seine Frau
 mitsamt dem Nachbarn
 in der Kiste...
 Das also ist die orientalische Phantasie und gäbe es nicht diese orientalische Phantasie
 dann wäre wohl kein einziger Araber im Land
                                geblieben
 nicht einen einzigen Tag mehr nach '48
 denn schau doch
 was die Araber Israels machen
 am Unabhängigkeitstag
 sie hängen israelische Flaggen aus
 eine Woche vor den Feierlichkeiten
 bis zwei Wochen danach
 und du kannst einen arabischen Fahrer
 an seiner Flagge erkennen
 also wer eine große Flagge am Auto hat
 der ist Araber.
 Einmal in den Tagen der arabischen Phantasie
 also während der Zeit der Militärverwaltung
 da stand ich im Militärgericht von Nazareth
 als ein Junge aus dem Saal kommt und nach mir
                                ruft
 und sagt
 - Onkel, Onkel, der Richter ruft nach dir
 ich gehe also hinein
 - guten Tag, Herr Richter
 da springt der Junge auf und sagt
 - das ist mein Vater
 ich blieb still
 was sollte ich ihm auch sagen
 der Richter schaut sich die Papiere an
 und verurteilt mich zu 50 Pfund Strafe
 oder drei Monate Gefängnis
 weil mein Sohn nach Haifa gefahren ist
 ohne eine Genehmigung des Militärgouverneurs
 ich bin dann raus um ihn zu suchen
 hätte ihn erwürgen können
 doch da komm ein Mann auf mich zu und meint
 - bei Gott, laß' gut sein
 orientalische Phantasie eben
 orientalische Phantasie!
 Doch mein einziger Sohn Walaa der hat einen anderen Weg gefunden
 um seine orientalische Phantasie zu beleben
 denn die ganze Zeit über
 in der meine Frau und ich beschäftigt waren
 mit der Kiste und mit Tantoura
 und mit dem Flüstern und dem Verstecken
 wuchs Walaa heran und wurde ein etwas eigenartiger
                                Jüngling
 der nur ganz, ganz, ganz wenig redete
 als ob sein Mund mit einer Nadel vernäht
                                wäre
 aber wenn er dann mal redete
 dann hatte ich Angst vor seinen Worten.
 Im Herbst '66 da saß ich einmal im Büro
 als plötzlich Lärm von Fahrzeugen und
                                Soldaten ertönte
 die mit gezogenen Waffen hereinstürmten
 und vorneweg der große Boß
 der mit der Sonnenbrille
 und mit ganz, ganz finsterem Gesicht
 während Jakob den Kopf hängen ließ
 worauf meine Beine vor Angst schlotterten
 mein Blick verschwamm
 und ich nur noch Köpfe, Köpfe, Köpfe
                                sah
 aufgerissene, schreiende Münder
 und schwarze Gewehre
 und alle schrieen herum
 - du Hurensohn!!
 ich lachte laut auf
 - aber so redet man doch nicht, Leute...
 und fand mich plötzlich zwischen ihren Beinen
                                wieder
 die mich wie einen Fußball traten
 ich wachte erst durch einen Eimer Wasser wieder
                                auf
 und verstand zwischen all den Beschimpfungen
 daß mein einziger Sohn Walaa
 der kleiner Fliege etwas zuleide tun konnte
 ein Freischärler geworden sei
 und daß ich verantwortlich bin
 und daß seine Mutter
 diese Giftschlange aus Al-Tantoura
 die besser mit ihrer Familie hätte verschwinden
                                sollen
 ebenfalls verantwortlich ist
 und daß sogar Jakob verantwortlich ist
 weil er ein Esel sei
 der sich mit orientalischer Kochkunst beschäftigt
                                hat
 und dabei seine nationale Pflicht vergessen hätte
 und bestimmt haben wir uns alle
 gegen den großen Boß verschworen
 und gegen die Regierung
 um sie zugrunde zu richten
 aber nun werden sie uns zugrunde richten
 denn der Staat weiß schon, wie er zu seinem
                                Recht kommt
 und zwischen der einen und der anderen Beschimpfung
 und den ganzen Boxhieben und Tritten
 verstand ich
 daß mein Sohn Walaa v eine Freischärler-Zelle
                                gegründet hätte
 und sich in den Ruinen von Al-Tantoura verschanzt
 - wir sind gekommen, du Sohn des Unheils
 um dir genauso zu dienen
 wie du uns gedient hast
 los jetzt, hol die Mutter deines Sohnes
 und kommt zusammen zu den Ruinen
 von Al-Tantoura
 bevor auch euer Leben ruiniert wird
 und sagt ihm, daß er sich freiwillig stellen
                                soll
 aus Barmherzigkeit seiner Mutter und dir gegenüber!
 Liebe Leute, keiner weiß so sehr
 wie teuer ein Kind ist
 als derjenige
 der eines verloren hat
 ich wollte mich also aufrichten
 doch meine Beine weigerten sich, mich zu tragen
 also haben mich zwei Soldaten vom Stuhl gehoben
 und in Jakobs Wagen verfrachtet
 Jakob steuerte den Wagen
 und die ganze Fahrt über
 vom Büro bis nach Hause
 sprach er kein einziges Wort mit mir
 meine Frau Bakija schaute vom Balkon herab
 und als sie mich mit dem Militär, mit den
                                Soldaten sah
 da fing sie an Wasserfälle zu heulen
 sie brachten sie herunter und setzten sie neben
                                mich in den Wagen
 aber ich traute mich nicht, ihr die Tränen
                                abzuwischen.
 Wir kamen an das Ufer von Al-Tantoura als die Sonne gerade unterging
 die Soldaten blieben in einiger Entfernung zurück
 und umstellten die Ruinen
 während meine Frau Bakija und ich
 vor den Ruinen von Al-Tantoura stehen blieben
 - setz dich, oh Said
 ich habe ihm mit meiner Milch gesäugt
 ich werde mit ihm reden
 und so setzte ich mich auf eine verfallene Mauer schaute aufs Meer hinaus
 und sah doch kein Meer
 ich schaute auf die untergehende Sonne
 und ging selber auch unter
 und fühlte mich sehr, sehr allein
 meine Frau Bakija ging einen Schritt näher
 und dann noch einen Schritt
 - mein Sohn, Walaa, schieß nicht, ich bin
                                deine Mutter
 Wiederstand ist zwecklos!
 sie haben dich entdeckt
 - wie?
 - sie haben mir dein Versteck gezeigt, mein Sohn
 - ich habe mich doch gar nicht versteckt, Mutter
 ich trage meine Waffe
 weil ich euer Verstecken leid war!
 du Frau, die du da stehst, wer bist du?
 - deine Mutter, oh Walaa
 gibt es denn ein Kind, das seine Mutter verleugnet?
 - meine Mutter...
 und kommst mit ihnen?
 - sie haben mich doch hergebracht, mein Sohn
 gemeinsam mit deinem Vater
 hier ist er
 er sitzt auf der zerstörten Mauer
 - und warum redet er nicht?
 - er hat noch nicht gelernt, zu sprechen
 mein Sohn, mein Liebling
 - was willst du, Mutter?
 - ich bin gekommen, mein Sohn
 dich zu überzeugen, deine Waffe wegzuwerfen
 und aufzugeben
 - warum?
 - aus Barmherzigkeit deinem Vater gegenüber
 und mir
 - hahahaha!
 - du lachst, oh Walaa?!
 du lachst über den Leib der dich getragen
                                und gehütet hat?!
 - nein, Mutter, ich lache nur darüber
 daß die sich nicht schämen
 über Barmherzigkeit zu reden
 obwohl sie selbst mit niemandem Erbarmen haben
 hast du deshalb so Angst vor ihnen?
 - nein, mein Sohn, um dich habe ich Angst
 mein Liebling, komm
 wirf deine Waffe weg, mein Sohn
 und komm heraus
 - du Frau, die du mit ihnen gekommen bist
 wohin willst du, daß ich heraus komme?
 - komm heraus in die Weite, komm an die Luft
 diese Höhle ist eng und erstickend
 du wirst darin sterben
 - ersticken? Ich bin doch in diese Höhle
                                hinein
 gerade um in Freiheit zu atmen
 und wenn es nur ein einziges mal in meinem Leben
                                ist, Mutter!
 als ich klein war
 da habt Ihr mich zum schweigen gebracht
 wenn ich geweint habe
 und als ich größer wurde
 da suchte ich stets nach dem Sinn eurer Worte
 verstand aber nichts außer Geflüster
 ihr habt mir gesagt
 paß in der Schule auf und rede nicht viel
 vertraue niemandem
 befreunde dich mit niemandem
 zieh mit niemandem herum
 und rede mit niemandem
 ich sagte euch
 daß mein Lehrer
 der Erzieher unserer Klasse
 mein Freund ist
 doch ihr habt gesagt
 hüte dich vor ihm
 der soll dich nur ausspionieren
 und als ich die Geschichte von Al-Tantoura gehört
                                habe, Mutter
 da habe ich sie beschimpft
 und ihr habt gesagt
 paß auf, rede nicht so viel
 und als sie mich beschimpften
 da habt ihr auch gesagt
 paß auf, rede nicht so viel
 und wenn ich morgens aufgewacht bin, Mutter
 da bist du gekommen und hast mir gesagt
 du hast geträumt, als du geschlafen hast
 und mit lauter Stimme geredet
 paß auf und rede nicht so viel
 paß auf und träume nicht so viel
 paß auf, paß auf
 paß auf, paß auf
 ich will aber nicht mehr aufpassen!
 diese Höhle ist eng
 aber weiter als euer Leben, Mutter
 sie ist eine Sackgasse
 aber sie ist der Weg in meine Freiheit, Mutter
 - der Tod?
 der Tod als einziger Weg in die Freiheit?
 - ich schämte mich für euch, Mutter
 und senkte den Kopf
 wenn ich zwischen den Menschen war
 - du schämst dich wegen uns, oh Walaa?
 dabei haben wir uns doch nur darum bemüht
 leben zu können
 damit du aufwachsen und leben kannst
 komm also heraus
 dann wirst du leben
 - ihr seid nicht stark genug
 um mich hier heraus zu holen!
 - wir sind doch nicht deine Feinde
 oh Walaa
 - ihr seid aber auch nicht bei mir, Mutter
 - paß auf, mein Sohn
 - sag das noch mal, Mutter
 paß auf, mein Sohn - paß auf, mein
                                Sohn
 aber ich bin jetzt frei, Mutter!
 - hör mal, Walaa, wenn wir frei wären
 dann wären wir einer Meinung
 du würdest kein Gewehr tragen
 und ich würde dir nicht sagen müssen
 paß auf
 wir wollen es werden
 aber wir sind es noch nicht
 - und wie sollen wir es werden?
 - wie die Natur
 auf die Nacht folgt die Morgendämmerung
 und niemand kann das ertragen
 was du hier tust
 - ich will es ertragen!
 - mein Sohn, mein Liebling
 gibt es denn etwas Schöneres
 als die Blüte einer Damaszenerrose
 die sich ein Jüngling hinter das Ohr steckt?
 - aber wenn die Rose gepflückt wird
 dann wird sie welken und stirbt
 - laß mich dich umarmen, oh Walaa
 - und wann kommt die Erlösung, Mutter?
 - gedulde dich, oh Walaa
 - ich habe mich ein Leben lang geduldet
 - gedulde dich noch weiter
 - ich kann mich aber nicht noch mehr gedulden
 ich sehe um mich herum nur die Höhle
 und nur die Finsternis
 - in der Höhle?
 - mein ganzes Leben ist eine Höhle!
 - gut, dann komm heraus ans Licht der Sonne
 - und wo ist mein Platz unter der Sonne?
 - die Welt ist schön
 so viele Völker haben ihren Platz unter
                                der Sonne gefunden
 und sind frei geworden
 - nein, Mutterv mein Leben mit euch ist kein
                                Leben
 es hat keinerlei Bedeutung
 denn wenn das Leben billiger wird als der Tod
 dann hat es einfach keinen Sinn mehr
 - was für eine Waffe hast du denn, mein
                                Sohn?
 - ein Maschinengewehr
 das ich hier in der Kiste fand...
 aber Mutter, Mutter, Mutter!
 du schützt sie hinter deinem Rücken
 Mutter, bei meiner Liebe zu dir
 du beschützt sie hinter deinem Rücken,
                                Mutter
 - nein, oh Walaa
 in der Kiste ist noch ein Maschinengewehr
 ich komme zu dir
 und ich werde dich mit meiner Liebe beschützen
 mein Sohn!
 Bakija verschwand gen Meer und die Soldaten stürmten vor
 ein wilder Schußwechsel begann
 und ich saß wie versteinert da
 ohne zu verstehen was da passierte
 und hörte nur den großen Boß brüllen
 - keine Schießerei!
 ich will sie lebend!
 sie sind dort getaucht!
 sie sind dort getaucht...
 Plötzlich brachten sie große Scheinwerfer und Froschmänner
 doch in dem Moment kam Jakob
 und legte meinen Kopf auf seine Schulter
 nahm mich mit zum Wagen
 und brachte mich nach Hause, nach Haifa.
 Am nächsten Tag ging ich nicht zur Arbeit zum Teufel mit der Arbeit
 für wen soll ich denn noch arbeiten? für
                                wen?
 als es plötzlich an der Tür pochte
 bumm bumm bumm
 - guten Morgen, oh Said
 - willkommen, Jakob
 - hör mal, Said, du mußt zurück
                                an die Arbeit
 aber unter einer Bedingung
 das was gestern passiert ist
 mußt du vollständig vergessen
 - gut, gut...
 dann versetze dich doch mal in meine Lage
 wenn sie deine Frau und deinen Sohn umgebracht
                                hätten
 würdest du das vergessen?
 wie willst du also
 daß ich das vergesse?
 - wer hat dir denn gesagt, das sie umgebracht
                                worden sind?
 sie haben herumgesucht
 aber niemanden gefunden
 auch heute am hellichten Tag haben sie gesucht
 und niemanden gefunden
 sie haben es also geschafft und sind geflüchtet!
 In Wahrheit war Jakob einfach ein guter Kerl und ich tat ihm leid
 ich fühlte, daß ich ihm leid tat
 aber er traute sich nicht, es zu sagen
 und ich?
 ich vertraue ja nicht einmal meiner eigenen Mutter
 und hatte ihm deshalb auch nie die Geschichte
                                von der Kiste erzählt
 und von Al-Tantoura
 und sagte mir deshalb im Stillen
 die haben sicherlich beschlossen
 lieber zu sterben
 als aufzugeben
 und deshalb habe ich selber beschlossen
 gar nicht wissen zu wollen
 was wirklich mit ihnen passiert ist
 weil die Hoffnung
 sie am Leben zu wähnen
 für mich viel besser ist
 als eine Bestätigung ihres Todes
 wie eng wäre das Leben
                                ohne die Weite der Hoffnung!
 und seit jenem Tag
 gehe ich an die Küste von Al-Tantoura
 zahle mein Touristenbillet
 nehme die Angel
 und tu so als würde ich Fische fangen
 ich stelle mich auf den selben Felsen
 auf dem Walaa gestanden hat
 und tu so als würde ich angeln
 dabei rufe ich ihn in meinem Herzen
 vielleicht hört er mich ja, bei Gott
 Blut ist dicker als Wasser
 vielleicht hört er mich und kommt heraus
 ehhhhh, Walaa
 heeeeee, mein Sohn
 ehhhhh, oh Walaa
 komm doch heraus, mein Sohn
 ich habe solche Sehnsucht nach dir...
 als plötzlich ein kleiner jüdischer
                                Junge neben mir sagt - Onkel, Onkel
 welche Sprache sprichst du denn da?
 - Arabisch
 - und mit wem redest du?
 - mit den Fischen
 - aha, die Fische verstehen also Arabisch?
 - ja, die großen Fische
 die schon hier waren
 als die Araber noch hier waren
 - und die kleinen Fische verstehen Hebräisch?
 - ja, die verstehen Hebräisch und Arabisch
 und alle anderen Sprachen
 denn das Meer ist weit und grenzenlos
 - grenzenlos?! ...oj wa-woi!
 was in Hebräisch soviel heißt wie
                                ... oh Weh!
 - Itzik, komm herv der Vater des Jungen rief
                                nach ihm
 - Papa, Papa
 das hier ist unser Herr Salomon!
 ich nahm einen kleinen Fisch und gab ihn ihm
 - nimm, der ist für dich
 - oh, spricht der Hebräisch?
 - noch nicht, der ist noch zu klein
 worauf er ihn wieder ins Meer warf
 damit er wachsen könne
 und Hebräisch lernt
 während ich mir im Stillen sagte
 oh Gott, würden doch alle Kinder
 kleine Kinder bleiben
 dann hätte wohl nie eine Mutter ihren Sohn
                                verloren
 und ich fragte mich
 ob unser großer Boß
 der mit der Sonnenbrille
 und seinesgleichen
 nicht auch irgendwann einmal kleine Kinder gewesen
                                sind...?
 Und nach zwei Tagen als ich auf den Basar im Nisnas-Tal ging
 um einige Dinge einzukaufen
 da höre ich zwei Jünglinge
 der eine rief den anderen heran
 und flüsterte ihm zu
 - Mensch, ich hab gehört
 es gibt da eine Gruppe bei den Freischärlern
 die sich Al-Tantoura nennt
 die verwenden eine geheime Chiffre
 in den Sendungen der Stimme Palästinas aus
                                Kairo
 worauf ich nach Hause rannte
 Fenster und Türen verrammelte
 das Transistorradio umarmte
 und nach Al-Tantoura zu suchen begann.
 Und am 5. Juli 1967 am Tag der Katastrophe
 da hörte ich wie die Stimme Israels
 im arabischen Programm
 alle Araber aufforderte
 weiße Fahnen zu hissen
 was mich verwirrte, weil ich nicht wußte
 welche Araber sie meinten
 die Araber von '47
 oder die Araber von '48
 oder die Araber von '67
 da sagte ich mir, Junge
 sicher ist sicher
 mach lieber mit, dann passiert dir nichts
 es ist ja nur ein Stück Fahne
 warum sollten sie deshalb böse auf dich
                                werden?
 bei Gott, ich folgte also der Aufforderung
 und zerriß das weiße Bettlaken
 band es um den Besenstiel
 und hißte das Ganze auf dem Dach unseres
                                Hauses
 in Schderot Hazionut.
 Am nächsten Tag wachte ich früh auf und fragte mich
 ob denn mein Signal schon verstanden worden sei
 doch kaum war das Laken im Tageslicht zu erkennen
 als schon Jakob erschien
 - nimm das sofort da runter, du Maulesel!
 - der Rundfunksprecher hat das aber so gesagt
 - Mensch, der Sprecher meinte doch die Araber
 im Westjordanland
 während du hier in Haifa bist
 was also geht dich das an?
 - man kann des Guten nie genug tun!
 - aha, das bedeutet also
 daß du Haifa als besetzte Stadt betrachtest
 und sie vom Staat abtrennen willst
 - das ist mir so nie in den Sinn gekommen
 das ist nur deine Deutung
 - Mensch, mir ist völlig egal
 was dir in den Sinn gekommen ist
 mir ist nur wichtig
 was dem großen Boß in den Sinn kommt
 und der sagt, daß du nicht dumm bist
 sondern nur so tust
 daß du nicht ein Quentchen Treue in dir
                                hast
 sondern nur so tust
 daß du den Staat nicht ein Quentchen liebst
 sondern nur so tust
 denn warum hast du außer Yu'ad sonst niemanden
                                geliebt
 und außer Bakija sonst niemanden geheiratet
 und außer Walaa sonst kein anderes Kind
                                gezeugt?
 - und warum hat dich der große Boß nicht
                                auch gefragt
 warum ich ausgerechnet als Araber geboren wurde
 und warum ich keine andere Heimat
 als ausgerechnet diese Heimat hier gefunden habe?
 - komm mit und frag ihn selbst!
 Er holte mich vom Dach herunter nahm mir die Fahne und den Besenstiel weg
 und brachte mich hierher
 und seitdem bin ich hier
 und ihr auch
 ihr seid hier
 und wir auch...
 
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