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Das Wappen der Familie Khammas

CRAZY - das Buch zum Film

Ein Auszug aus dem Buch zum Film von 2000, in dem Willy über sein und unser Leben erzählt.

Mit CRAZY hatte Hans-Christian Schmidt das erste Buch von Benjamin Lebert verfilmt. Und Willy hatte dort die Rolle von 'Mädchen' - dem Jüngsten der Internatsclique. Natürlich ist nicht alles ganz exakt und richtig wiedergegeben (typisch Verlagslektorat), aber im Großen und Ganzen stimmt's.


CRAZY - das Buch zum Film

'Willy Rachow'


Vor zwei Jahren sind die Rachows von Friedrichshain in den Prenzlauer Berg gezogen. Nicht in ein schickes Haus am Kollwitzplatz, sondern in ein Hochhaus nördlich der Danziger Straße.

Die Wohnung der Rachows hat zwei Etagen. Oben wohnt Willy mit seinen zwei jüngeren Geschwistern Jannis, zwei, und Hanna, elf. An der Tür zu seinem Zimmer hängt ein Plan, der seine Haushaltspflichten anzeigt: Zimmer aufräumen und saugen. Einmal im Monat Staub wischen. Regelmäßig Schreibtisch aufräumen und Blumen gießen. Katzenklo und Abfall runtertragen. Treppe feucht wischen. Geschirrspüler ausräumen. Morgens die Fische und die Katze füttern.

Am Ende des Flurs steht ein selbst gebautes Regal, das voll bepackt ist mit Science-Fiction und Fantasy-Literatur. Eine Holztreppe führt nach unten. In der unteren Etage wohnen Willys Mutter Grit und ihr Lebensgefährte Achmed. Grit sagt, Achmed sei ein moslemischer Alt-Achtundsechziger, ein ganz schön schräger Vogel. »Mit einem Wissenspotential, wo ich in fünfzehn Jahren noch nicht bin.« Achmed hatte in den späten Sechzigern den ersten Plattenladen in Damaskus.

»Eigentlich ist Achmed Erfinder«, sagt Willy. »Er hat seit dreizehn Jähren das Patent auf einen Schlitzrotor. Ein Rotorblatt, das Hubschraubern mehr Auftrieb gibt. Man muß jedes Jahr dafür bezahlen, daß so ein Patent aufrechterhalten wird. Jetzt hat er es an den Nagel gehängt, das war auf Dauer einfach zu teuer.«

Willy kommt gut mit Achmed klar. Auch mit seinem richtigen Vater, Bernd, versteht er sich gut. Bernd lebt in Friedrichshain und arbeitet als Hausmeister in einem Modemarkt.

Grit serviert uns Tee in kleinen Gläsern. Wir sitzen am Eßtisch im Wohnzimmer unter einer Kletterpflanze, die über die ganze Decke des Raumes wuchert. Die Nachmittagssonne wirft den Schatten eines Aquariums mit Zierfischen an die Wand. Ein Kätzchen sitzt auf dem Teppich und spielt mit dem Schatten der Fische.

Grit ist noch jung. Sie war achtzehn, als Willy zur Welt kam. Die Geburt war ein ziemlicher Schock für sie: »Die Wehen wurden damals künstlich eingeleitet, weil ich eine Woche über den Termin war. Wie die das im Krankenhaus so machen, mit Wehentropf und allem, was dazugehört, das war ein ziemlicher Horror. Ich fühlte mich völlig ausgeliefert«. Jannis ist zu Hause zur Welt gekommen. »Mit ihm hatte ich eine wunderschöne Hausgeburt. Es war Vollmond. Nach fünf Stunden war alles erledigt. Kein Arzt, nur zwei Hebammen. Eine hat Videoaufnahmen gemacht, die andere hat das Kind einfach nur aufgefangen. Ich war total fit danach, der Sekt hat mir geschmeckt, das war toll. Da überlegt man schon, wie das so ist, mit der klassischen Schulmedizin.«

Im April will Grit einen eigenen Laden eröffnen, der >Frauenzimmer< heißen soll. Literatur, Kosmetik, Schmuck - alles auf den Bedarf von Frauen abgestimmt. Zum Hinterzimmer haben nur Frauen Zutritt. Dort sollen Gesprächskreise und kleine Veranstaltungen stattfinden. Es war nicht leicht, von der Bank einen Kredit zu bekommen. Grit sagt, sie habe denen klarmachen müssen, daß es um »Düfte und Kerzen« gehe, das läge eher im Trend als ein esoterisch angehauchter Frauenladen. Grit und Achmed sind sehr gastfreundlich und mögen offene Gespräche. »Einmal im Monat, immer zu Vollmond, ist hier Tag der offenen Tür. Da werden einfach nette Leute eingeladen, und wir feiern.«

Letztes Jahr im Herbst, als Crazy gedreht wurde, war Willy zum ersten Mal wochenlang nicht bei seiner Familie. »Das war ein echtes Abenteuer für mich. Ich war der Jüngste und hatte nur mit Älteren zu tun. Hier ist es umgekehrt. Ich habe zwei jüngere Geschwister und bin immer der Alteste. In die Disco bin ich während der Dreharbeiten zwar nicht gegangen, aber ich war abends schon mal mit in einer Kneipe. Das mache ich hier nicht so in Berlin. Ich war für mich selbst verantwortlich und wurde ziemlich wie ein Erwachsener behandelt. Ich hatte sogar ein eigenes Hotelzimmer.«



Aus: Hans-Christian Schmidt & Michael Gutmann, Crazy - das Buch zum Film, Kiepenhauer & Witsch, Köln 2000, S. 50 ff.


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