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Das Wappen der Familie Khammas

Adolf Hitler gefunden !

Eine schräge Story von Reinhart Bartsch, geschrieben 1980 in Damaskus.


ADOLF HITLER GEFUNDEN

Damaskus / von unserem Korrespondenten

DURCH EINEN UNGLAUBLICHEN ZUFALL ENTDECKT UNSER NAHOST-KORRESPONDENT DEN TOTGEGLAUBTEN ADOLF HITLER IM GRENZGEBIET ZWISCHEN SYRIEN, JORDANIEN UND DEM IRAK. ER SPRACH MIT DEM GREIS ÜBER DIE KRIEGSSCHULD, SEIN VERHÄLTNIS ZU JUDEN UND DIE ZUKUNFT. DER VON SCHULD UND ALTER GEBEUGTE HITLER ENTHÜLLTE UNERWARTETES.

Am 11. Januar um 12.20 Uhr hob unsere kleine sechssitzige Cessna 185 vom Flughafen Damaskus ab, kletterte rasch auf 6.000 Fuß und nahm Richtung Nord-Osten. Ein Fotograf, der Pilot und ich, sollten über die Spritzung von 30.000 Hektar Weizen gegen Unkräuter im fruchtbaren nord-östlichen Zipfel Syriens berichten.

Der Himmel wölbte sich strahlend blau. Die ockerfarbenen Berge lagen unter uns wie zerknülltes Packpapier. Wir überquerten zwei Höhenzüge, dann wurde die Landschaft flacher und wir flogen nach Kompaß über die syrischen Wüste. Der Flug sollte knapp vier Stunden dauern.

Nach zwei Stunden Flugzeit wurde der Pilot unruhig. Er flog die Strecke zum ersten Mal und hatte bemerkt, daß er von der Richtung abgekommen war. Der Kompass des Flugzeuges war nicht geeicht oder gestört worden. Die Nord-Ost-Gebiete Syriens liegen im strategischen Interesse der Großmächte. Kurz darauf fing der Motor an zu stottern. Wir mußten zur Notlandung ansetzen.

Zehn dramatische Minuten folgten, in denen der Pilot verzweifelt nach einer geeigneten Landefläche in dem Steingeröll suchte und der Motor immer stärker aussetzte. Endlich hatten wir einen scheinbar geeigneten Platz gefunden. Der Motor setzte ganz aus. Der Pilot drückte die Maschine nach unten, um sie kurz vor dem Boden hochzuziehen. Dann kam der Aufprall, die Reifen wurden zerfetzt und wir glitten auf einer Tragfläche und dem Rumpf seitlich über die kopfgroßen Steine. Sekunden später befreiten wir uns hastig aus dem qualmenden Flugzeug. Wir waren gerettet, aber das Flugzeug war Schrott.

Nach einer kurzen Besprechung nahmen wir die noch vorhandene Kekse, zwei Handtücher und eine Flasche Wasser und liefen in Richtung Süd-Ost. Dort sollte die Straße Damaskus-Baghdad verlaufen.

Nach fünf Stunden Marsch, wir waren erst schätzungsweise 15 km durch das Steinmeer vorangekommen, wurden wir von Beduinen entdeckt. Diese schienen von dem Flugzeugabsturz zu wissen und führten uns am nächsten Morgen in weiteren sechs Stunden in eine kleine Siedlung, die aus fünf kleinen Steinhäusern bestand. Dort wurden wir erschöpft, mit zerfetzten Schuhen und blutenden Füßen in ein leerstehendes Haus gebracht.

Drei Tage geschah nichts. Die Beduinen erwarteten ein Zeichen der Außenwelt. Das blieb aus. Der Gedanke, eigenmächtig weiterzulaufen, war Irrsinn. Wir wurden freundlich und höflich behandelt.

Am vierten Tag wurde ich in eines der anderen kleinen Häuser aus dunkelgrauem Stein geführt. Ich konnte kaum die hundert Meter laufen, so schmerzten meine Füße immer noch. Dieses Haus lag ein wenig abseits und höher als die anderen vier. Als ich eintrat, sah ich zuerst nur ein Bett, einen niedrigen Tisch und einen Stuhl. Als sich meine Augen an die Dämmerung des Raumes gewöhnt hatten, erkannte ich, dass in dem Bett, vergraben unter Fellen und Decken, ein Mensch lag. Ich näherte mich langsam und sah den Kopf eines weißhaarigen, zahnlosen Greises, von der Sonne tiefbraun gebrannt und von tausenden Runzeln gezeichnet. Auffällig war, dass sein linkes Auge größer zu sein schien als das rechte. Der Greis zog seinen Arm unter der Decke hervor und winkte mich heran. Er sagte etwas auf Arabisch. Ich blieb stehen. Plötzlich sagte er auf Deutsch: ‘Ach, setzen Sie sich auf den Tisch.’

Die Stimme klang brüchig aber klar. Der Mann mußte Deutscher sein. Wie im Traum zog ich den wackligen Tisch ans Bett und setzte mich vorsichtig. Er fuhr fort: "Ich bin uralt und sterbe bald. Da wird man wieder Kind und will etwas erzählen. Den Kindern gehört ja die Welt."

Er räusperte sich. "Ich bin Adolf Hitler, Reichskanzler und Führer des deutschen Volkes bis Mai 1945. Man sagte mir, Sie seien Journalist. Bitte notieren Sie folgendes". Er schwieg. Ich auch. Nach etwa drei Minuten hörte ich meine eigene Stimme metallisch aus der Ferne: "Darf ich das Tonband laufen lassen?" Der Greis winkte schwach mit der Hand.

Total irre, dachte ich, ob er nun Hitler ist oder nicht. Der berufliche Durchbruch zog an meinen Augen vorbei. Plötzlich wußte ich: Vor mir muß Hitler liegen.

Von hier an folgt die genaue Abschrift des Tonbandprotokolls.

Frage: "Ich möchte - Räuspern - ich denke, wir sollten über die großen Fragen sprechen. Das wird die Leser am meisten interessieren. Darf ich Ihnen die erste Frage stellen: Wie erlebten Sie das Kriegsende? Wie wirkte sich auf Sie der Tod und das Leiden der Millionen toten Juden, Russen und nicht zuletzt Deutschen aus?"

A.H.: "Natürlich habe ich die Verantwortung für unermeßliches Leiden, könnte das ein Mensch erfassen, er müßte augenblicklich sterben. Ich bin verantwortlich für alles, was bis 1945 geschah und für das, was nach 1945 geschah, da es bestimmt wurde durch die Ereignisse vor 1945. Ich bin verantwortlich, wie ein Mensch verantwortlich sein kann." (Kurze Pause)

"In diesem Land, in dem Saulus zum Paulus wurde, wachsen Trüffel. Vor zwei Jahren wuredn viele auf dem Markt angeboten. Damals war der Winter warm und der Regen ausreichend. Letztes Jahr wurden keine Trüffel angeboten, aber dieses Jahr wird es diese geben, aber wenig. Wir sind die Saat und gehen auf und verderben aufgrund des Wetters oder anderer Mächte, die wie wir sind. Das Sein ist für uns immer ein Kampf. Wer nicht ist, der ist nicht.

Als Politiker ist man die Flagge im Kampf der Menschen. Es ging nie um den Österreicher aus Braunau mit dem kleinen Schnurrbart, der heute so lächerlich scheint. Ich habe - wie Churchill und Stalin - bestimmte Mächte vertreten."
(Kurze Pause)
"Das Leiden ist der Weg des Lernens. Man kann sich kein Leiden, weder der Juden noch der Deutschen, aus dem Weltgeschehen wegdenken."
(Räuspern)
"Hinter jeder Macht steckt eine andere. Ich war einer der ersten Vertreter des Aufstandes der Menschen gegen ihre langzeitigen Lenker. Ich habe später erkannt - auch dieser Aufstand war gelenkt. Derjenige, den die Engländer und Amerikaner als Gott bezeichneten, lag in Fehde mit Sirius, dem Hundestern. Sirius ist aber nur ein Fenster in ein anderes Sein, in dem sich wieder andere Politiker streiten - mit Methoden, die für uns noch unvorstellbar sind.
Der Gedanke, dass wir ein Spielball anderer sind, ist leicht zu verstehen. Die mit uns spielen, so glaube ich, sind genauso vom Allmächtigen gelenkt. Hier hören unsere Wahrnehmungen auf. Wir müssen uns bescheiden."
(Fünf Minuten Stille)

Frage: (Hüsteln) "Wer stand sich denn im letzten Krieg gegenüber?"

A.H.: "Die Leute um den, der Gott genannt wird, gegen die Wesen im Sirius, die uns beeinflusst haben. Wir wurden viel von meinem Schäferhund gesteuert. Gott wollte uns auf seine Seite ziehen. Das misslang. Meine Mittelsmänner - soweit ich es damals meinte beeinflussen zu können - waren zu schwach und der Papst schwenkte um.
Die obersten Vertreter Gottes sind die Juden. Sie sind Gottes auserwähltes Volk und haben die Macht Gottes in allen Bereichen des Christentums und des Islams festgelegt. Ich führte keinen Krieg gegen die Amerikaner oder Russen - diese Mächte blieben lange neutral - sondern gegen die Juden. Nur weil wir Deutschen so an Blut und Boden denken, werden die Juden bei uns bis heute nicht als die Weltmacht gesehen, die sie sind.
Nun, der Sieger leidet weniger als der Besiegte. Daher gibt es keine endgültig Besiegten, das ist meine feste Überzeugung."
(Pause, zweimal Räuspern)

Frage: "Warum kam es zu dem Machtkampf?"

Nach 53 Sekunden:

A.H.: "Ich weiß es nicht und werde es nie wissen. Wir mögen hier ein Versuchsfeld sein. Dann haben wir universelle Bedeutung."
(Pause)

"Der Raum ist Bewegung und die Zeit die Bewegung der Räume zueinander. Wir sind beschränkt wie die Schriften über mich, im Gefängnis unserer Wahrnehmung mit dem alten Streben nach der Tür in der Mauer."
(Pause, Röcheln, schweres Atmen.)

Frage: "Wie geht es weiter?"

A.H.: "Wie immer nach dem, was wir Notwendigkeit oder Zufall nennen. Als Politiker und sterbender Mann sage ich: Folgt dem Sirius. Doch ist das vielleicht nur ein Weg zur höheren Macht. Mit seinen Leiden und Lehren. Ich bin müde."
(Starkes Röcheln, heftiges Atmen.)

Frage: "Warum leben Sie noch?"

A.H.: (Abgehackte Rede) "Ich lebe hier als Mensch. Als Mensch verdient man Mitleid und das ist hier im Orient stark ausgeprägt. Daran ist nichts verwerflich. Man ist hier im Menschsein in vielen Beziehungen weiter als in meinem teuren Vaterland.
Als Idee lebe ich für immer, wie jede andere Erscheinung: Mensch, Tier, Pflanze oder Stein."
(Röcheln, Pause)

"Es ist schwer, in der Fremde zu leben und zu sterben. Grüßen Sie die Menschen daheim. Sie sollen sich bescheiden."
(Ende des Tonbandprotokolls.)

Ich wurde von einem Beduinen herausbegleitet. Zwei Stunden später wurden wir mit einem Geländewagen nach Ain H'ror gebracht. Von dort fuhren wir weiter um unseren Auftrag zu erfüllen.

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